Zur Beachtung!

Situation – Problem

Das Grundstück des Klägers wurde infolge eines Regenereignisses von oberflächlich ablaufenden Wasser durchflossen, so dass ein Schaden entstand.

Das oberflächlich ablaufende Wasser nahm seinen Lauf durch ein neues Wohngebiet und stammte im Wesentlichen von einem nahen Feld.

Ein weiterer Grundstückseigentümer (Beklagte) versuchte sich gegen diesen Wasserlauf durch eine niedrige Mauer an der Grundstücksgrenze gegen die Wassermassen zu schützen.

Gegen diese Mauer klagte nun die Klägerin, da sie befürchtet, das Wasser könne nun nicht schnell genug abfließen und würde im Falle eines weiteren Regenereignisses den Schaden auf ihrem Grundstück unnötig vergrößern.

Auftrag des Gerichtes

Es ist Beweis zu erheben, dass durch den von den Beklagten auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichteten Mauersockel der Abfluss von Oberflächenwasser von dem Grundstück der Kläger behindert wird.

Grundsätzliche Hinweise über oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser

Grundsätzlich gilt im Bauwesen die Regel, dass sich in jedem Graben, sei er auch noch so unscheinbar, bei entsprechend starkem Regen Wasser sammelt und je nach Regenintensität auch abfließt.

Die Wasserführung und der Schaden, der möglicherweise angerichtet wird, ist abhängig von der Größe des jeweiligen Einzugsgebietes und der Differenz zwischen Niederschlag, Versickerung und Verdunstung (spielt in diesem Fall praktisch keine Rolle).

Wenn also mehr Regen fällt, als zur gleichen Zeit versickern kann, muss der Niederschlag oberirdisch abfließen.

Bei der Einschätzung der Bedeutung des oberirdischen Niederschlages kann man sich erheblich täuschen, da bereits geringe Abflusshöhen auf einer hinreichend großen Einzugsfläche punktuell enorme Wassermassen verursachen können.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Können z. B. auf einer Fläche von einem Hektar 5 mm Niederschlag nicht versickern, so „stehen“ 50 m³ Regenwasser auf der Fläche. Gelangen diese 50 m³ infolge einer Flächenneigung z. B. in 20 Minuten „punktuell“ zum Abfluss, so fließt diesem Punkt ein Volumenstrom von 150 m³/h (ca. 42 l/s) zu.

Beträgt die Grundfläche des klägerischen Grundstücks beispielsweise 200 m² und das fremde Wasser (50 m³ in diesem Beispiel) würde nicht abfließen können, dann steht das Wasser 25 cm hoch auf dem Grundstück.

Nach den Regeln der Technik und der Erfahrung des Sachverständigen können Wasserströme, die oberirdisch in eine Bebauung hineindrängen, nicht punktuell von einem Einzelnen bewältigt werden, weil die technischen Methoden und Mittel eines einzelnen Grundstückeigentümers in aller Regel dessen Mittel und Möglichkeiten bei weitem überschreiten würden.

Er könnte bestenfalls das Problem nur „weiterreichen“ ohne es grundlegend zu lösen. Das Verfahren der Wahl sind deshalb grundsätzlich gemeinschaftliche Lösungen, die in erster Linie ursachenorientiert und keinesfalls wirkungsorientiert sein müssen.

Hierzu ein praktisches Beispiel

Die Stadt Sanderleben (Sachsen-Anhalt) befindet sich in einem Talkessel, der von Feldern umgeben ist.

Dort hat sich historisch ein System von Entwässerungsgräben zum Schutz der Stadt herausgebildet mit Entwässerungsrichtung zum Fluss „Wipper“. Dieses System wird von der Stadt gewartet und in Stand gehalten.

Untersuchungsergebnisse

Nach erstem Augenschein, Erfahrung des Sachverständigen und anknüpfend an die Klageschrift sieht er folgenden Sachverhalt als höchstwahrscheinlich an:

Durch das Wohngebiet der Parteien fließt schon immer ein „Bach“ mit beachtlicher Wasserführung. Das ist bedingt durch die natürliche Geländestruktur.

Dieser Bach kommt vom angrenzenden Feld und führt nach Angaben der Parteien durch das Grundstück einer am Prozess (noch) unbeteiligten Familie, von dieser auf das Grundstück der Kläger und schließlich auf das Grundstück der Beklagten.

Das besondere, des in der Natur keineswegs seltenen Phänomens, dem auch der Rechtsstreit zu Grunde liegt, besteht darin, dass der besagte Bach nur zeitweise Wasser führt und dass genau in dem Bachlauf unglücklicherweise und insbesondere ohne auf die Natur Rücksicht zu nehmen, ein Wohngebiet errichtet wurde.

Der Bach führt insbesondere bei extremen Regenereignissen Wasser, dann nämlich, wenn mehr Regen fällt, als während der Regendauer auf dem angrenzenden Feld versickern kann.

Dabei sind erfahrungsgemäß Bachbreiten von 2 m bei einer Tiefe von 30 cm und einer Fließgeschwindigkeit von 0,5 – 1 m/s durchaus vorstellbar.

Der „Feldbach“ verfügt noch über eine weitere Besonderheit:

Es besteht das Risiko, dass bei Extremregen nicht nur klares Regenwasser vom Hang in das Wohngebiet fließt, sondern dass sich kleine Schlammströme ausbilden können, die dann besonders schlammig sind, wenn die Bauern ihr Feld kürzlich pflügten.

Zu Schäden kommt es also sekundär dadurch, weil das Wohngebiet über keinerlei Schutz gegen diesen Wasserlauf verfügt.

In aller Regel schützt man Bebauungsgebiete bei derartigen Situationen durch ingenieurtechnisch durchdachte Grabensysteme, die das oberflächlich dem Bebauungsgebiet zufließende Niederschlagswasser rechtzeitig abfangen, umleiten oder schadenfrei durchleiten und einem geeigneten Vorfluter zuführen.

Verbunden werden derartige Maßnahmen ggf. auch mit Regenrückhaltebecken.

Ein derartiges System fehlt offensichtlich in dem Bebauungsgebiet.

Nach Erfahrung des Sachverständigen kann sich auch bei Extremregen in aller Regel auf 200 m² Rasenfläche nicht soviel Wasser sammeln, um auf dem eigenen Grundstück Schaden anzurichten.

Insofern ist auch davon auszugehen, dass grundstückseigenes Niederschlagswasser relativ problemlos auch vor dem Mauersockel der Beklagten abfließen kann.

Man hätte den natürlichen Wasserlauf mit zeitweiser Wasserführung z. B. vorzugsweise in Form eines flachen Grabens durch das Wohngebiet leiten müssen, um ihn z. B. an einen nahe gelegenen Bach anzuschließen.

Die Betroffenen versuchten nun mit mehr oder weniger erfolgreichen punktuellen Maßnahmen das Problem scheinbar in den Griff zu bekommen.

Scheinbar deshalb, weil es irgendwann einen Regen geben wird, für dessen oberirdischen Ablauf eine ingenieurtechnische Systemlösung geschaffen werden muss, anderenfalls ist grundsätzlich mit weiteren erheblichen Schäden zu rechnen.

Zusammenfassung

Es ist festzustellen, dass auf dem Grundstück der Klägerin 3 Arten von Oberflächenwasser anfallen:

  • Regenwasser von den Dachflächen (wird einer unterirdischen Versickerung zugeführt)
  • Regenwasser, das auf das Grundstück der Klägerin außer auf Dachflächen fällt. Aufgrund des erheblichen Anteils von Rasen, bezogen auf die Gesamtgrundstücksfläche, geht der Sachverständige nach seiner Erfahrung davon aus, dass das Regenwasser, das auf diese Fläche fällt, überwiegend versickert.
  • Wasser eines Baches mit zeitweiser Wasserführung

Hier ist nach Erfahrung des Sachverständigen festzustellen, dass nur das Wasser eines Baches mit zeitweiser Wasserführung durch den Mauersockel behindert wird.

Die Wassermengen nach Punkt 1 und 2 dürften auch bei Extremregen an dem Mauersockel vorbei rinnen, ohne Schaden zu verursachen.

Es handelt sich also nach „wasserwirtschaftlicher“ Logik nicht um das Oberflächenwasser des Klägers oder um Oberflächenwasser vom Grundstück des Klägers, sondern um Oberflächenwasser aus einem natürlichen Wasserlauf. Alle o. g. Feststellungen beruhen auf einer Besichtigung, auf Hinweisen der Parteien und auf Erfahrungen des Sachverständigen.

Insgesamt würde der Sachverständige den Wahrheitswert seiner Feststellungen als „recht wahrscheinlich“ bewerten. Für den Fall, dass ein höherer Wahrheitswert gewünscht wird, oder dass Zweifel am Gutachten bestehen oder nicht ausgeräumt werden konnten, wäre ein interdisziplinäres Gutachten mit Integration insbesondere folgenden Sachverstandes notwendig:

  • Vermessung (Aufnahme des Oberflächenprofils des Feldes und der betroffenen Grundstücke (erste Schätzung 5 T€ brutto)
  • Meteorologisches Gutachten über Extremregen und deren Prognose (erste Schätzung 1 T€ brutto)
  • Analyse des Oberflächenabflusses nach Menge und Verlauf (erste Schätzung 5 T€ brutto)
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