Typisch für die neuen Bundesländer ist, dass zunächst weniger eine aufwendige Betriebsführung zu einer Kostenexplosion bei der Abwasserentsorgung führt, sondern diese ist in erster Linie auf riskante Investitionsentscheidungen zurückzuführen.

Investitionsentscheidungen der Verbände und Kommunen stellen sich meist deshalb als falsch heraus, weil die Wirtschaftlichkeit abwassertechnischer Lösungen mit ungenügenden Rechenmethoden ermittelt wurde. In der Regel wurde und wird auch heute noch gegen das grundlegendste und einfachste Gesetz der Investitionslehre verstoßen:

Jede Investition beinhaltet grundsätzlich Risiken!

Dieser Beitrag gilt für Investitionen oder Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Betriebskosten haben – für Unternehmen, Kommunen und Verbände gleichermaßen.

Investitionsentscheidungen sind immer unsichere Entscheidungen. Ein Unternehmen, Kommunen oder Verbände geben heute Geld aus und hoffen, die Investition morgen refinanzieren zu können.

Im Unterschied zu den Kommunen und Verbänden ist den Unternehmen die Problematik des Entscheidungsrisikos geläufiger.

Kollektiven Investitionsentscheidungen haftet oftmals der Makel von riskanten Entscheidungen an, weil u. a. Investitionen im Abwasserbereich meist langfristige Investitionen sind und es durchaus normal ist, dass Entscheidungsträger wechseln, Sachentscheidungen politisch-wirtschaftlichen Einflüssen unterliegen und die Strategie sowie Kontrolle unkontrolliert Dritten überlassen wird. Entscheidungsträgerkollektive haben seltener persönliche Konsequenzen ihrer Fehlentscheidungen zu befürchten und neigen sicher auch deshalb häufiger zu riskanten und unüberlegten Entscheidungen – so zeigt es jedenfalls die Geschichte vieler Abwasserinvestitionen in den neuen Bundesländern.

Hier ist ein Ansatzpunkt für ortsansässige Unternehmen. Sie sollten möglichst rechtzeitig auf derartige riskante kommunale und verbandliche Entscheidungen hinweisen, indem sie u. a. die negativen Konsequenzen auf die Unternehmen darstellen und ihre Erfahrungen bei der Investitionsvorbereitung mit einbringen.

Im Grunde ist es so, dass der Investitions- und Dienstleistungsdrang einer Unternehmensgruppe in der Regel die Kosten einer anderen Unternehmensgruppe mit beeinflusst.

Ungünstig für das Anliegen der neuen Bundesländer ist die eingeschränkte Möglichkeit der Fehlerkorrektur durch die Entscheidungsträger selbst, weil damit auch die Schuldfrage als Nebenprodukt geklärt werden könnte. Nachteilig ist dies insofern, weil nur aus einer Ursachenanalyse ein Heilungskonzept für Fehlinvestitionen erarbeitet werden kann. Somit ist es häufig, dass Fehler und Mängel nur halbherzig oder gar nicht korrigiert werden.

Nachteilig nicht nur für die Unternehmen ist außerdem, dass ein Verband oder eine Kommune gar nicht gezwungen ist, wirtschaftlich zu arbeiten. Er oder sie muss nur kostendeckend arbeiten und das ist eben im Vergleich zur „freien Wirtschaft“ ein entscheidender Unterschied.

Aus Prüfungen in anderen Bundesländern ist bekannt, dass selbst große Verbände mit vermeintlich günstigen Abwasserkosten um 100 % überhöhte Betriebskosten aufweisen. Das sind Tatsachen, die kostenrelevante Entscheidungen zusätzlich unsicher machen und eine Ursache dafür sind, dass kleine Kommunen größere Abwasserzweckverbände verlassen, weil sie Bedenken vor einer nicht mehr steuerbaren Kostenentwicklung haben.

Das beträchtliche Risiko am Beispiel einer Kläranlageninvestitionsentscheidung lässt sich relativ unkompliziert an einem Fall verdeutlichen, in dem der Einfachheit halber angenommen wird, für die Refinanzierung der Kläranlage seien nur 3 Ereignisse erforderlich, die gleichzeitig eintreten müssen, um keine Gebührenunterdeckung zu riskieren:

  • Die für die Kläranlageninvestition maßgebend berücksichtigten industriellen Abwassereinleiter bleiben während der gesamten Abschreibungsdauer der Kläranlage dem Abwasserentsorgungsverpflichteten als Refinanzierungspotenzial erhalten. (D. h., die Unternehmen gehen nicht konkurs oder wechseln einfach den Wirtschaftsstandort.)
  • Die in Aussicht genommenen Verbandsgemeinden „bleiben bei der Stange“.
  • Es gelingt auch tatsächlich, alle für die Finanzierung in Aussicht genommenen Grundstückseigentümer hinreichend schnell (!) an die Kläranlage anzuschließen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jedes der 3 Ereignisse auch tatsächlich für sich eintritt, wird optimistisch mit 80 % bewertet.

Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung resultiert die Gesamtwahrscheinlichkeit aus dem Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten demnach zu nur 51 %. Wenn dann z.B. noch als 4. Kriterium, von dem man sich wünscht, dass es eintritt, der damals mit 150 l/Ed angenommene Wasserverbrauch sich nicht auf den heute aktuellen Wert von 70…90 l/Ed reduzieren darf, dann beträgt die Gesamtwahrscheinlichkeit, dass eine Refinanzierung gelingt, 40 % und spiegelt damit die Situation anschaulich wider, in der sich viele Verbände der neuen Bundesländer gerade befinden!

Das Gesamtinvestitionsrisiko ist dadurch zu senken, indem weniger investiert wird und die Investitionen in nutzungsfähige Einzelabschnitte unterteilt werden, deren Refinanzierung durch die Bürger abgesichert sein muss.

Es wird deshalb geraten, sich durch rechtzeitige Fallunterscheidungen und Analysen nicht monetärer Entscheidungsaspekte leidenschaftslos einen Überblick von den tatsächlichen Risiken zu verschaffen.

Nicht die Ereignisse – für den Fall, dass alle Annahmen und Wünsche eintreten – sind in erster Linie relevant, sondern bedeutungsvoll ist primär, was passiert, wenn die ungünstigen Ereignisse Realität werden!

Solche Betrachtungen haben natürlich nur Sinn, wenn sie vor den Investitionsentscheidungen angestellt werden.
Insofern sollte sich auch ein Abwasserzweckverband von einer einfachen zu einer komplizierteren Lösung über einen längeren Zeitraum entwickeln, wobei sich der Kompliziertheitsgrad in Grenzen halten muss!

In den neuen Bundesländern zeichnet sich deutlich ab, dass die

  • Arbeitslosigkeit,
  • fehlende gewerbliche und industrielle Entwicklung,
  • sehr geringe Finanzkraft der Gemeinden,
  • ungenügende Höhe von Eigenkapital,
  • keine Zeit für Eigenkapitalbildung,
  • Risiko des Rückganges der Bezuschussung,
  • Bedenken hinsichtlich der Komplexität der angefangenen Investitionen,
  • noch nicht hinreichende Erfahrungen in den Kommunen, Abwasserzweckverbänden und auch der Unternehmen bei der Investitionssteuerung, insbesondere von Abwasseranlagen

    zu den allgemeinen nicht monetären Aspekten und allgemeinen Risikofaktoren gezählt werden können.

    Uwe Halbach

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