Wohl unstrittige Anknüpfungsfakten nach Thoma, R. und Goetz, D. :

  • Dichtheitsprüfungen (DP) an in Betrieb befindlichen GEA werden gemäß [5] durchgeführt.
  • Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser oder Mischwasser dürfen als dicht bewertet werden, wenn bei einer OI keine sichtbaren Schäden und Fremdwassereintritte festgestellt werden.
  • Ist eine OI nicht durchführbar oder wird sie als nicht ausreichend angesehen, ist eine DP durchzuführen. Hierbei ist nicht festgelegt, wer mit welchen Kriterien diesen normativ gewollten Ermessensspielraum interpretieren darf.
  • Grundleitungen die nur häusliches Abwasser ableiten und außerhalb von Schutzzone II von Wassergewinnungsgebieten liegen, können mit einer Wasserdruckprüfung durch Auffüllung bis 0,50 m über Rohrscheitel auf Dichtheit geprüft werden.
  • Ist dies bei alten Leitungssystemen nicht möglich, kann die Leitung alternativ bis zur Oberkante des tiefsten EWG oder Unterkante der Reinigungsöffnung in der Fallleitung mit Wasser aufgefüllt werden.
  • Die Prüfzeit beträgt 15 min bei einem zulässigen Wasserzugabewert von 0,2 l/m² [5].
  • DP mit Wasserfüllung führen gemäß [7] bei 90% der Grundstücke und gemäß [6] bei 94 % der Einzelprüfungen zu dem Ergebnis einer Undichtheit.

(GEA = Grundstücksentwässerungsanlage, OI = Optische Inspektion, EWG = Entwässerungsgegenstand)

Interessant ist auch die Zusammenfassung des Fachbeitrages von Thoma:

  • Bis zum Jahr 2015 sind in Deutschland ca. 1,3 Mio km Abwasserleitungen auf und zu Grundstücken zu untersuchen.
  • Die Länge, der Zustand und der tatsächliche Untersuchungsgrad sind nicht in ausreichendem Umfang bekannt.
  • Offensichtlich wurde bis dato nur ein Anteil von weniger als 5% untersucht.
  • Es ist in privaten Abwasserleitungen mit 100 bis 600 Mängeln/km zu rechnen. 24% der optisch erkannten Schäden sind nach Klassifikation entsprechend den Regeln der Technik kurz- bis mittelfristig zu sanieren.
  • Risse und Brüche treten alle 20 m einmal auf. Erste Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass ca. 90% der Grundstücksentwässerungsanlagen unter Prüfbedingungen undicht sind.
  • Erkennbar ist aber auch, dass bei Prüfung der Dichtheit nach den Regeln der Technik keine Korrelation zu dem optisch erfassten und klassifizierten Zustand besteht.

Messungen der Exfiltration unter Betriebsbedingungen zeigen, dass die tatsächliche Exfiltration deutlich geringer ist als die Wasserverluste bei den Wasserstandsprüfungen nach den Regeln der Technik.

  • Für die objektive Bewertung der Auswirkungen undichter, häuslicher Abwasserleitungen sind noch Grundsatzarbeiten zu leisten. Für eine zielgerichtete, effektive Sanierung der Abwasserleitungen zum nachhaltigen Schutz von Boden- und Grundwasser müssen die neuesten Erkenntnisse noch in handhabbare Regelwerke Eingang finden.
  • Die Sanierung der Grundstücksentwässerungsleitungen mit dem Ziel der vollständigen Abdichtung gemäß den vorhandenen Regeln der Technik würde 100 bis 200 MRD Euro kosten. [14]
  • Möglicherweise ist es für eine nachhaltige und vollständige Instandhaltung nicht entscheidend, ob die Dichtheitskriterien geändert werden, sondern dass die Prioritäten und Zeiträume für die Sanierung mit Blick auf das Gefährdungspotential für die Umwelt und die Instandhaltungszyklen der Gebäudesubstanz abgewogen werden.

Literatur des Beitrages von Thoma:

[1] ATV-Merkblatt M143-2 (1999) Optische Inspektion – Inspektion, Instandsetzung, Sanierung und Erneuerung von Abwasserkanälen und -leitungen

[2] ATV-Merkblatt M 149, (1999): Zustandserfassung, -klassifizierung und -bewertung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden

[3] BayLfW Merkblatt Nr. 4.3/6; (2002): Prüfung alter und neuer Abwasserkanäle, Teil 3: Dichtheitsprüfung von Grundstücksentwässerungsleitungen im Freispiegelabfluss, Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München

[4] Berger C., Lohaus J: (2005): Zustand der Kanalisation, Ergebnisse der DWA-Umfrage 2004, Korrespondenz Abwasser 5/2005, (52), S.528-539

[5] DIN 1986-30 (2003): Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke, Teil 30: Instandhaltung

[6] Dornbusch J., (2001): Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben, Pilotprojekt: Dichtheitsprüfung und Sanierung von Grundstücksentwässerungsleitungen auf Chemischreinigungsgrundstücken, 1. Teil, Aachen

[7] Eisener W., (2005): Die dichte Kanalisation – Auswirkungen auf die Sanierung privater Kanäle, Tagungsband, 5te Göttinger Abwassertage

[8] Engel N., (2003): Strategien und Kosten der Sanierung von öffentlichen Kanalnetzen, TAH Seminar Kanalsanierung unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit, Hannover

[9] Fiedler M., (1999): Optimierung und Umsetzung der Sanierungsplanung von Haupt- und Hausanschlußkanälen, TAH Seminar Kanalsanierungsplanung, Tagungsband, Würzburg

[10] Dohmann M. (1999): Wassergefährdung durch undichte Kanäle, Erfassung und Bewertung, Springer Verlag Berlin-Heidelberg

[11] Möllers K, (IFK Bochum), Umweltbehörde der freien und Hansestadt Hamburg (1993): Abschlußbericht zur Untersuchung der Grundstücksentwässerungsleitungen im Wasserschutzgebiet XX in Hamburg, 31 S, unveröffentlicht

[12] Rußig V., (1999): Ausgewählte Ergebnisse der Studie „EUROPARC – Der Bestand an Gebäuden in Europa“, Institut für Wirtschaftsforschung e.V. München, www.ifo.de

[13] Statistisches Jahrbuch 2003 für die Bundesrepublik Deutschland und für das Ausland, Statistisches Bundesamt, Verlag Metzler Poeschel, Stuttgart

[14] Thoma R., (2005): Instandhaltung von Grundstücksentwässerungsanlagen, Korrespondenz Abwasser 6/2005 (52), S.725-730

[15] Thoma R.; (2006): Die Vision der dichten Grundstücksentwässerung, Vortrag, Kanalisationsforum Bern

[16] Togler R., (2006): Exfiltrationen bestehender Grundstücksentwässerungsanlagen, Auswirkungen, Einflussgrößen, Mengenermittlungen, neuartige Prüfmethoden, praxisgerechte Empfehlungen, RWTH Aachen

Quelle:
Thoma, R. u.a.
Grundstücksentwässerungsanlagen mit häuslichem Abwasser- Zustand, Schäden, Exfiltration, Bodenkontamination – Gefährdungspotential ?
Tagungsunterlagen der Gemeinschaftstagung 11./12. Oktober 2006
Undichte Kanäle – (k)ein Risiko?
Frankfurt
Herausgeber: DWA
(ISBN -13: 978-3-939057-60-4)

  • In dem durchaus spannenden und nachvollziehbaren Beitrag wurde als Medianwert festgestellt, dass bei der gewählten großtechnischen Versuchsanstellung nur 0,8 l Abwasser täglich versickerten.
  • Der Medianwert im Exfiltrat ergab verschwindend geringe 4,1 mg TOC/l !
  • Um sich einen umfassenden Überblick von allen Vorträgen zum Tagungsthema zu machen, müssen natürlich alle Skripte gelesen werden.

Meine prinzipielle Folgerung:

Eine Einzelprüfung mit Wasserdruck wird ja zumeist nur dann ausgeführt, wenn die optische Inspektion keine sichtbare Undichtigkeit vermuten lässt.

Wenn schon, denn schon!

Wenn also bei einer Druckprüfung mit Wasserfüllung die Wahrscheinlichkeit bei gut 90 % liegt, dass die Grundleitungen sowieso undicht sind, dann ist die optische Inspektion als technisches Verfahren zum Dichtheitsnachweis wegen Unsicherheit ungeeignet.

Meine persönliche Meinung:

Die Inspektions-, Dichtheitsprüfungs- und Sanierungskampagne von Grundstücksleitungen entspricht wegen Unverhältnismäßigkeit in der Regel nicht dem Stand der Technik.

Nicht alles was technisch möglich ist, verdient es flächendeckend umgesetzt zu werden.

Diese Meinung teilen auch andere Kollegen und wer zudem noch analysiert, welche Bundesländer in welcher administrativen Weise mit der nur scheinbaren Gefahr umgehen, bekommt schnell mit, dass die Wahrheit in der Mitte liegt.

Eine Panik ist völlig unbegründet, denn wäre die Gefahr real, dann wäre auch zu klären, warum wir alle noch so „putz und munter“ sind, oder gibt es jemanden, dem wegen eines Loches im Hausanschlusskanal übel geworden ist?

Schließlich sind die Kanäle nicht erst seit gestern undicht.

Übrigens, zu der gleichen Tagung vor 4 Jahren ließ ein „hochkarätiger“ Redner die Katze aus dem Sack:

„Man muss heute ein Lied singen, damit die Leute anfangen zu pfeifen!“

Für mich sind solche Methoden irritierend.

Entweder es besteht eine reale Gefahr, dann muss sofort und effektiv gehandelt werden und wenn diese Gefahr nur in der Einbildung existiert, dann muss man sich fragen, was mit dieser Äußerung (wohl hinterlistig?) bezweckt werden soll.

Nichts dagegen, wenn die „Sänger“ die von ihnen verursachten Schäden und Kosten zur Lösung eines überbewerteten am Ende bezahlen können und bezahlen.

Davon ist aber wohl kaum auszugehen (vergleiche Reichholf in: Die Politik der Angst).

U. Halbach

Siehe auch

Print Friendly, PDF & Email