Rückblick: 1991
Die unbekannte Interessenlage der Berater
Abwasserentsorgung in den neuen Bundesländern wird extrem teuer (Teil 3)
Uwe Halbach, Unabhängiger Sachverständiger aus Werdau
Eine Reihe von Entwicklungen in den neuen Bundesländern geben zu der Befürchtung Anlass, dass auf unsere Bürger eine Kostenlawine bei den Ver- und Entsorgungsleistungen zurollt. Die Beitragsfolge, die in den Heften 2 und 3/92 begann, befasste sich ausschließlich mit Kostenaspekten des Gewässerschutzes, die nicht nur für unsere Verwaltung und Bauausschüsse interessant sind.
Neben einer wirtschaftlichen Konzeption für die Abwasserableitung und Abwasserbehandlung spielt auch die Wahl des Entwässerungsverfahrens und die zum Einsatz kommenden Materialien und Bauweisen eine große Rolle für die Kosten. Allgemein verbreitet ist, dass beispielsweise bei der Wahl der Materialien von Kanalrohren vorwiegend teure Materialien zum Einsatz kommen. Zumindest wird der Auftraggeber selten gefragt, ob er andere Rohre haben möchte. So gibt es bei den Kanalrohrmaterialien bei gleicher Lebensdauer Kostenunterschiede von ca. 50%, die zu einer Gesamtkostenreduzierung von ca. 10% in einem Entwässerungsnetz hinreichend groß genug ist.
Insofern trifft unter Umständen der Planer Entscheidungen bzw. stellt Weichen, über deren finanzielle Konsequenzen die Auftraggeber nur selten von vornherein Kenntnis erhielten oder in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Eine Reihe von Beispielen beweist dies.
Besondere Sorgfalt ist bei der Dimensionierung und Optimierung der Entwässerungsnetze erforderlich, wenn Kosten gespart werden sollen. Oft wird diese Aufgabe vernachlässigt.
Eine Reihe von Kanalisationen, die zzt. gebaut werden, erwecken daher den Eindruck, dass unsere Bürger im Regenwald wohnen, denn die gewählten Rohrdimensionen stehen in keinem Verhältnis zu unseren Regenereignissen.
Ein weiterer kostenerhöhender Aspekt ist der noch fehlende Konkurrenzdruck zwischen den Planungsbüros, der die Marktmechanismen nur ungenügend wirken lässt.
Die Gestaltung der Honorarhöhe der Planungsbüros an die anrechenbaren Kosten – je teurer die Lösung, desto höher das Honorar – kann schon bei der Erarbeitung der Aufgabenstellung (Vorplanung) für die Kommunen äußerst kostspielig werden, wenn das nötige Fachwissen in der Verwaltung fehlt. Zu bedenken ist hier besonders, dass in der hin und wieder „verniedlichten“ Vorplanung die Kosten des Endergebnisses bereits zu etwa 70% festgeschrieben werden.
Viele unserer Gemeinden vertrauen den Erfahrungen der alten Bundesländer. Gut gemeinte Ratschläge verfehlen aber ab und an die Wirkung, wenn die Ratgeber unsere Verhältnisse nur ungenügend kennen.
Nebenbei bemerkt sind auch Ratgeber bekannt, die mehr schaden als nutzen und besser zu Hause geblieben wären. Die Ursache einer mangelhaften Beratungseffektivität in diesen Fällen liegt jedoch in einer zu großen Vertrauensseligkeit; nicht nur gegenüber Beratern aus den alten Bundesländern. Bei der Übertragung dieser Erfahrungen muss berücksichtigt werden, dass unsere Gemeinden vor einer völlig anderen Lage als die alten Bundesländer stehen, dass die Maßnahmen in Millionenhöhe in einer selten kurzen Vorbereitungszeit bewältigen müssen, dass die Verwaltungen aufgebaut werden, dass die fachliche Erfahrung fehlt und dass gleichzeitig die Infrastruktur modernisiert werden muss. Allein aus diesen Gründen sind großzügige Konzeptionen meist nur über einen längeren Zeitraum preiswert und realistisch.
Das Problem bei der Beratung ist die unbekannte Interessenlage der jeweiligen Berater. Für die Eingeweihten keineswegs erstaunlich, sind Berater staatlicher Einrichtungen unterwegs, die mitunter auch handfeste persönliche oder Firmeninteressen verfolgen. Sie versuchen mit unterschiedlichem Erfolg den Beratungsleistungen einen offiziellen Anstrich zu geben. Insofern haben unsere Verwaltungen kaum eine Chance ihre Interessen unbeschadet zu wahren, es sei denn, sie sind sehr bedacht bei Entscheidungen, wenn es um Geld geht und äußerst vorsichtig und skeptisch gegenüber Beratern, Planern, Betreibern und Lieferanten von Kläranlagen. Sollte man jedoch erkennen, dass die Planung zu uneffektiven Ergebnissen führt, so ist ein Planungsabbruch meistens weitaus kostengünstiger, als eine Lösung mit aufgeblähten Kosten, die dann unsere Bürger jahrzehntelang unzumutbar finanziell belastet.
Einige Verwaltungen haben erkannt, dass sie ohne fachliche Mitarbeiter die Abwasserproblematik nicht lösen können und überlassen die Steuerung und Klärung dieser Aufgaben mehr oder weniger den ehemaligen VEB WAB. Damit haben sie jedoch des Problem nicht beseitigt, sondern nur aufgeschoben. Inzwischen vergrößert es sich, weil unkontrollierte und vorher nicht wirtschaftlich geprüfte Betreiberinteressen mittels „Trojanischer Pferde“ in den Kommunen Eingang finden können. Dabei kann jetzt nicht ausgeschlossen werden, ob diese Verfahrensweise später der Kommune recht ist.
Man sieht sich von offizieller Seite offensichtlich hilflos der Verteuerung in den neuen Bundesländern ausgeliefert, wenn die staatliche Unterstützung der Betreiber forciert wird. Schon jetzt ist schwer zu durchschauen, wo private Interessen beginnen und kommunale und staatliche Interessen aufhören. So wie einem mittellosen Bürger nicht zu empfehlen ist sich sein Auto zu leasen, so sollte man den neuen Bundesländern nicht als Allheillösung das Betreibermodell zumuten!
Die Alternative muss sein, Sorge zu tragen, dass die Fördermittel keine Verwendung erfahren und dass nicht mehr Mittel für den Gewässerschutz ausgegeben werden, als unbedingt notwendig. Das Überstülpen der neuen Wasserrechtlichkeit auf die neuen Länder ist ebenfalls ein wesentlicher Faktor zur unverhältnismäßigen Abwasserpreisentwicklung in den neuen Bundesländern, weil sie uns zwingen, Mittel für den Gewässerschutz auszugeben, die wir noch nicht erarbeitet haben. Ist der Ausweg wirklich nur die überdurchschnittliche Verschuldung der neuen Bundesländer?
Es ist wichtig zu wissen, dass es mächtige Interessensphären gibt, die von dieser Politik gewaltig profitieren. Wünschenswert für die neuen Bundesländer wäre, wenn sich noch mehr Fachleute darauf besinnen, dass nicht nur sie selbst in den neuen Bundesländern unnötig hohe Preisaufschläge zahlen werden und vielleicht manche Anregung in dem Artikel zum Nutzen ihrer Kommune und der neuen Länder verwirklichen können. Die Artikelserie befasste sich hauptsächlich mit Ursachen der momentanen negativen Kostenentwicklung bei der Abwasserentsorgung und damit zwangsläufig mit schlechten Beispielen.
Es sind aber nicht nur „schwarze Schafe“ in den neuen Bundesländern unterwegs. Es gibt auch eine große Anzahl sehr seriöser Unternehmer und Planungsbüros, die eine langfristige Zusammenarbeit mit unseren Kommunen im Auge haben. Aber in jedem Fall dürfte unser Sprichwort „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“ nach wie vor und besonders auch in der heutigen Zeit sehr aktuell sein.
Uwe Halbach
Quelle: wwt 1992, Heft 6, S. 249
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