Freiheitsstrafe wegen undichter Kanäle?
Zusammengestellt am 05.11.2002 von Uwe Halbach, ö.b.u.v.
Sachverständiger für Abwasserbeseitigung,
zertifizierter Kanalsanierungsberater
Inhalt:
- Einleitung – Nicht alles wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird!
- § 150 Wassergesetz Sachsen-Anhalt
- Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen, Verrieseln, Entwässern von Klärschlamm
- Niederschlagswasser
- § 13 Strafgesetzbuch (StGB)
- Unterlassen
- § 25 StGB
- Täterschaft
- § 26 StGB
- Anstiftung
- § 27 StGB
- Gehilfe
- § 324 StGB
- Gewässerverunreinigung
- § 153 a Strafprozessordnung (StPO)
- Einstellung des Hauptverfahrens
- Wiedergutmachung
- Geldbetrag
- gemeinnützige Leistungen
Einleitung:
Diese Seite dient lediglich der Veranschaulichung eines Szenarios, das denkbar ist, wenn eine unerlaubte Gewässereinleitung offiziell festgestellt und mit allen Mitteln verfolgt wird. Zu unterscheiden ist zwischen unerlaubten und erlaubten Gewässerverunreinigungen.
Kanäle sollen dicht sein!
Seit vielen Jahren gibt es gesetzliche Regelungen, die das Grundwasser vor Verunreinigungen schützen sollen.
Insofern ist es erforderlich, dass Kanäle grundsätzlich wasserdicht sein müssen.
Das ist das Ziel und der Anspruch zugleich und zugleich ist es auch eine Tatsache, dass Kanäle nie dicht sein können.
Die Kanalsanierung soll nach einem vorgeschriebenen Ablauf geplant werden.
Für die Betreiber von Abwasserkanälen kommt es darauf an, dass sie vor allem planmäßig und schrittweise ihre undichten Kanäle unter Beachtung der wirtschaftlichen Möglichkeiten sanieren.
(Siehe z. B.: Kanalsanierungsplanung, erste Klassifizierung nach EN 752-5 und Arbeitsabschnitte der Kanalsanierungsplanung nach EN 752-5.)
Eine Voraussetzung zur Straffreiheit bei der unerlaubten Gewässerverschmutzung durch undichte Kanäle ist:
- Vorliegen einer Kanalsanierungsplanung und regelmäßige Aktualisierung
- jährliche Inspektion eines angemessenen Teiles der Kanalisation
- das schrittweise und planmäßige Sanieren defekter Kanäle nach Schwerpunkten
Die Kanalsanierung ist ein Prozess, der in der Regel nie abgeschlossen sein wird.
Verbände und Kommunen sollten ggf. nachweisen können, dass die Problematik der undichten Kanäle nicht auf die leichte Schulter genommen wird und das planmäßig nach ihren Möglichkeiten saniert wird.
Es gibt Gründe, die zu keiner Erhebung einer öffentlichen Klage führen können, wenn zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilt werden und wenn diese geeignet sind, dass öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht dem entgegensteht.
Derartige Auflagen und Weisungen können z. B. darin bestehen, die Kanalsanierung nach einer Kanalsanierungsplanung vorzunehmen.
Im November 2002 veröffentlichte die ATV Ergebnisse einer Umfrage. Nach dieser Umfrage sind 17 % der öffentlichen Kanalisation von ca. 45.000.000.000 km undicht. Das wären 7.650 000.000 km.
Welche Meinung kann man über undichte Kanäle haben, wenn man nicht darauf angewiesen ist, dass es sie gibt?
Ob nun jedes Loch im Kanal eine Umweltkatastrophe darstellt, das mit strafrechtlichen Mitteln immer und überall verfolgt werden muss, ist eine Frage der Fachkompetenz und Lebenserfahrung.
Zum Beispiel ist eine fehlende Scherbe in einer Kanalsohle eines Hauptsammlers mit ständiger Wasserführung der oberhalb des Grundwasserspiegels im Trinkwassereinzugsgebiet liegt, strenger zu bewerten als ein Hausanschlusskanal in dem täglich nur ein paar Sekunden lang mal eine kleine Menge häusliches Abwasser fließt.
Undichte Hausanschlusskanäle
In der letzten Zeit interessiert man sich verstärkt auch für undichte Hausanschlusskanäle , denn wenn der Deutsche etwas macht, dann macht er es gründlich und ohne Ausnahmen.
Ein undichter Hausanschlusskanal ist eine unerlaubte Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB, ob wir aber damit die Welt retten, wenn alle Grundstücksbesitzer dazu „verdonnert“ werden ihre Hausanschlusskanäle abzudichten, wage ich zu bezweifeln.
Einen wasserwirtschaftlichen Schwerpunkt bei der Gewässerverunreinigung bilden undichte Hausanschlusskanäle in der Regel jedenfalls nicht.
Undichte Hausanschlusskanäle gibt es seit wenigstens 100 Jahren und wo ist das Problem im Grundwasser?
Nun es gibt keines, weil der Wasserkreislauf ständig zu einer Verdünnung des Grundwassers und zur Ausspülung von Inhaltsstoffen führt. Zudem sind Selbstreinigungen und Selbstdichtungen bekannt.
Das alles sind Tatsachen, bei denen eine verwaltungsrechtliche Würdigung unzulässig ist, denn der Gesetzgeber räumte wohl aus Gründen der Marktgestaltung seinen Behörden keinen Ermessensspielraum bei der eigenen Meinungsbildung zur Entschärfung ihrer Sorgen und Ängste ein.
Es wäre auch eine Katastrophe für manche Wirtschaftszweige, wäre bei einer wasserwirtschaftlichen Investition die tatsächliche Effektivität in der Natur maßgeblich. Es käme einer Revolution der momentanen „Wasserwirtschaft“ gleich, wäre man nur gezwungen, schlichte Tatsachen zu akzeptieren, unabhängig davon, ob sie das Weltbild der Umweltgesetzgebung stören oder nicht.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis zur „Entschärfung der Besorgnis“ einer Grundwasserverschmutzung:
Im Rahmen eines Rechtsstreites war in Dresden nachzuweisen, ob eine oberflächliche unzulässige Abwasserversickerung einer Grundstückskläranlage nach DIN 4261 Teil 1 (also eine Faulgrube) dem Boden Schaden zufügte. In dem Fall wurde das Abwasser jahrelang in eine Gemüsebeetfurche geleitet.
Der Rechtsstreit begann, weil die Nachbarn sich nicht mochten. Ich hatte als Gerichtsgutachter nun die Aufgabe den Nachweis einer Bodenverschmutzung zu führen.
Über die verdächtige und die unverdächtige Grundstücksfläche wurde also für die Probennahme ein Raster in 3 verschiedene Tiefen gelegt.
Ein zertifiziertes Labor entnahm Bodenproben, die auf Stickstoff, Phosphor, Schwermetalle und ausgewählte Gifte untersucht wurden.
Die Auswertung war eine Überraschung. Sie ergab nicht den geringsten Hinweis, dass die unerlaubte Bodenverunreinigung auch nur in Ansätzen dem Boden geschadet hatte.
Seit dieser Zeit bin ich noch vorsichtiger in meiner Meinungsbildung über vermeintlich katastrophale Naturschäden durch undichte Hausanschlusskanäle oder vermeintlich schlecht arbeitende Hauskläranlagen geworden.
Das Ergebnis ist doch logisch! Wir vertilgen ja nicht massenhaft Schwermetalle und Gifte, so dass wir davon ausgehen müssen, dass das Abwasser eines Einfamilienhauses giftig sei.
Und abschließend zu den naturwissenschaftlichen Überlegungen einige ausgewählte gesetzliche Regelungen:
§ 150 Wassergesetz Sachsen-Anhalt
(1) Abwasser im Sinne dieses Gesetzes ist Wasser, das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch verunreinigt oder sonst in seinen Eigenschaften verändert ist oder das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließt und das sonst in die Kanalisation gelangende Wasser. Als Abwasser gelten auch die aus Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen austretenden und gesammelten Flüssigkeiten.
(2) Abwasser ist so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird.
(3) Abwasserbeseitigung im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung.
(4) Niederschlagswasser ist in geeigneten Fällen zu versickern.
(5) Die §§ 151 bis 156 gelten nicht für Jauche, Gülle und Silagesickersaft sowie für das durch landwirtschaftlichen Gebrauch entstandene Abwasser, das dazu bestimmt ist, auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden aufgebracht zu werden. Die Vorschriften des Abfallrechts blieben unberührt.
§ 13 Strafgesetzbuch (StGB)
Allgemeiner Teil (§§ 1 – 79b)
2. Abschnitt – Die Tat (§§ 13 – 37)
1. Titel – Grundlagen der Strafbarkeit (§§ 13 – 21)
§ 13 – Begehen durch Unterlassen
(1) Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
§ 25 StGB
Allgemeiner Teil (§§ 1 – 79b)
2. Abschnitt – Die Tat (§§ 13 – 37)
3. Titel – Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 – 31)
§ 25 – Täterschaft
(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.
(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).
§ 26 StGB
Allgemeiner Teil (§§ 1 – 79b)
2. Abschnitt – Die Tat (§§ 13 – 37)
3. Titel – Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 – 31)
§ 26 – Anstiftung
Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
§ 27 StGB
Allgemeiner Teil (§§ 1 – 79b)
2. Abschnitt – Die Tat (§§ 13 – 37)
3. Titel – Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 – 31)
§ 27 – Beihilfe
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
§ 324 StGB
Besonderer Teil (§§ 80 – 358)
29. Abschnitt – Straftaten gegen die Umwelt (§§ 324 – 330d)
§ 324 – Gewässerverunreinigung
(1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
§ 153 a Strafprozessordnung (StPO)
2. Buch – Verfahren im ersten Rechtszug (§§ 151 – 295)
1. Abschnitt – Öffentliche Klage (§§ 151 – 157)
§ 153a (Einstellung des Hauptverfahrens)
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
- einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
- sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
- Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
- sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, oder
- an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder § 4 Abs. 8 Satz 4 des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nr. 4 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 bis 5 entsprechend.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren bis zum Ende der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden können, vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
2002, überarbeitet Februar 2010
Hinterlasse einen Kommentar