Bereits 1969 wurde im Osten Deutschlands – als es die EU noch nicht gab – ein Prinzip der EU-Wasserrahmenrichtlinie regional umgesetzt. Es handelte sich um das

Prinzip der integrierten Betrachtung von Einzugsgebieten, die nach hydrologischen Gesichtspunkten mit Hilfe von Wasserscheiden abgegrenzt werden.

Ort des Geschehens war die Ingenieurschule für Wasserwirtschaft in Magdeburg. Die Ingenieurschule hatte im Harz als eigenes hydrologisches Experimentierfeld ein kleines Einzugsgebiet eines Baches.

Ich war ebenfalls ein Studierender und Augenzeuge und so weiß ich von einigen Wochen, in denen hockten die Studenten abends über Messtischblättern und malten stundenlang „zu Fuß“ – also ohne Computer – Wasserscheiden in Messtischblätter ein. Der Dozent für Hydrologie wählte listigerweise Messtischblätter der Topographie des Harzes aus, wo die Bestimmung von Einzugsgebieten aufgrund des Gewirrs der Höhenlinien schon eine lästige Aufgabe war. Seit diesen Tagen besitze ich eine Lupe.

Einzugsgebiet der Wippervorsperre

Was sind nun Wasserscheiden? Um es einfach darzustellen:

Wasserscheiden sind Linien im Gelände, bei denen ein Wassertropfen, wenn er auf sie fällt, nicht weiß, in welche Richtung er rinnen darf oder muss.

Dem Tropfen geht es wie dem Esel von Buridan. (Noch umfänglicher informiert man sich über Wasserscheiden z. B. bei Wikipedia.)

Diese Ausführungen sollen nur einen kleinen Eindruck von der ausgezeichneten Qualifizierung der Wasserwirtschaftler der DDR vermitteln. Und so freut man sich natürlich, wenn auch die DDR-Wasserwirtschaft einen winzigen Beitrag zur Bewertung der Flussgebietseinheiten im Rahmen der EU-WRRL leisten durfte.

Dem sachlich und sehr informativ gehaltenen Handbuch der EU-Wasserrahmenrichtlinie von RUMM ist folgendes Zitat entnommen:

„Einen der Kernpunkte der WRRL und zugleich eine der wesentlichen Herausforderungen für die deutsche Wasserwirtschaft stellt die integrierte Betrachtung von nach hydrologischen Gesichtspunkten abgegrenzten Flussgebietseinheiten dar.

Diese Betrachtungsweise sprengt die in Deutschland traditionell stark an administrativen Zuständigkeiten und politischen Grenzen ausgerichtete Bewirtschaftung der Gewässer und erzwingt eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit und Koordination zwischen den verschiedenen zuständigen Stellen innerhalb einer Flussgebietseinheit.

Nicht von ungefähr waren noch die ersten Entwürfe der Europäischen Kommission für die Richtlinie von der Schaffung von Flussgebietsorganisationen ausgegangen, die für die Erarbeitung und Umsetzung der Bewirtschaftungspläne für gesamte Flussgebietseinheiten zuständig sein sollten.

(Europäische Kommission 1997)

Quelle: Stratenwerth, Th.
Bewirtschaftung nationaler und internationaler Flussgebiete
aus Rumm, von Keitz und Schmalholz
Handbuch der EU-Wasserrahmenrichtlinie
2., neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage
Berlin, 2006 (Seite 59)

Ich beobachte allerdings immer wieder, dass Frachten aus Einzugsgebieten – trotz EU-WRRL – bei der wasserchemischen Bewertung in den Landkreisen nur sehr selten berücksichtigt werden.  Bei den Begründungen zur Verschärfung der Überwachungswerte werden wegen der Nichtbeachtung diesbezüglicher Hinweise in einschlägiger Fachliteratur Fehler in Größenordnungen von schätzungsweise 70…99 % gemacht, da die wesentlichen Frachten aus der Landwirtschaft, der Luft, dem Niederschlag und der Erosion nicht berücksichtigt werden.  Man konzentriert sich bei den Wünschen zur Minimierung der Stoffeinträge in Gewässer fast ausschließlich auf vernachlässigbare, meist kommunale Punktquellen. Damit wird gegen die Regelungen der EU-WRRL und gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Regelmäßig werden Entwässerungsgräben, Meliorationsgräben, Straßenentwässerungsgräben oder Bahnseitengräben mit schlechtesten hydromorphologischen Zuständen so behandelt, als würde es sich um einen besonders schützenswerten kristallklaren Gebirgsbach handeln, in dem auch noch Forellen laichen. Schließlich werden finanzielle Mittel der Abwasserbeseitigungspflichtigen in Größenordnungen verschwendet.

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