Warum Orakel?
Nun, weil die EU-WRRL genau wie ein Orakel aufgrund ihrer Abstraktheit gedeutet werden kann und muss. Das ist Fakt. Manche Regelungen der EU-WRRL werden unwissenschaftlich umgesetzt. Deshalb „orakeln“ seit längerem einige Ökologen – jene die ihre Wissenschaft verteidigen – bei der EU-WRRL nicht mehr mit. Sie sehen die Natur wie sie ist, nämlich wertfrei und da ist kein Verständnis für primitive Zustandsbewertung, wie für ein „gutes“ oder „böses“ Potential.
Die vom Orakel Betroffenen – also meist die Abwasserbeseitigungspflichtigen – müssen sich nun und nur überlegen, ob sie willkürliche Zustandsbewertungen umsetzen wollen. Meist wollen sie das, merken aber zu spät, dass sie dann zwangsläufig für die Orakelergebnisse Fremder bezahlen. So ist das im Leben auch bei anderen Dingen. Ein Orakel will und muss eben auch von irgendetwas leben.
Eine Lösung: Wenn die von der Gewässerverwaltung geplanten wasserwirtschaftlichen Maßnahmen für die Herstellung des guten ökologischen Zustandes oder des guten Potentials nicht effizient sind – sofern sich überhaupt jemand die Mühe macht, dies rechtzeitig nachvollziehbar zu untersuchen und darzulegen – dann besteht die schlichte Alternative darin, den guten ökologischen Zustand oder das gute Potential legitim so umzudeuten, dass dieses neue Ziel dann die Chance bekommt effizient zu werden. Wo ein Wille, ist immer ein Gebüsch!
Zugegeben: Mit dem Prüfen der Effizienz der Konsequenzen einer Zustandsbewertung ist wohl jede Gewässerverwaltung und jedes Umweltfachamt hoffnungslos überfordert, denn mittlerweile gibt es Bücher bzw. Dissertationen zu dem Thema, das keineswegs in der Verwaltungspraxis nebenbei bearbeitet werden kann.
Peinlich wird es nur, wenn der falsche Eindruck vermittelt wird, die Anforderungen für den guten Zustand oder für das gute Potential seien auf Effizienz geprüft und wenn behauptet wird, die EU-WRRL würde genau dies erfordern und es gäbe keine kostensparenden Alternativen.
Mittlerweile ist die EU-WRRL zu einem Monster gewachsen, das kein einzelner Mensch in seinem Leben je zu werten oder gar zu überblicken vermag. Der geneigte Leser mag ja im Zweifelsfall versuchen das Werk zu verstehen. Ohne Orakel kommt er nicht weit. Es bleibt nur zu ergänzen, dass die alten Griechen unter dem Orakel drei Dinge verstanden: Den Ort, an dem orakelt wurde, das Orakel als Person und schließlich das Orakel als Weissagung.
Die Wertung der Effizienz einer wasserwirtschaftlichen Investition ist eine anspruchsvolle, komplizierte, aufwändige und zugleich interdisziplinäre Aufgabe, die neben verschiedenster Fachkunde, wie meist in der vernünftigen Reihenfolge
- Ökologie,
- Biologie,
- Hydromorphologie kontra Gewässerunterhaltung,
- Investitionsrechnung,
- Nutzensbewertung und Risikobewertung,
- Chemie (wie fälschlich nicht als Ziel, sondern als Mittel für ökologische Zustände und deshalb erst zum Schluss aufgezählt),
- Reduzierung der industriellen Landwirtschaft (wer sich traut 😉 ),
- kommunale Abwasserbeseitigung
auch praktische Erfahrung in der Natur – also nicht am Schreibtisch – erfordert. Was sagte ich? Ein Orakel? Eine Heerschar von Orakeln!
Nüchtern bringt es VORREYER
„So bestehen in erheblichem Maße Auslegungsprobleme; infolge der zahlreichen in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten gibt es viele Möglichkeiten, den gemeinsamen Rahmen zu umgehen, sodass zurzeit kaum etwas darüber ausgesagt werden kann, ob der Rahmen für eine wirklich harmonisierte, wettbewerbsvereinheitlichende Gewässerschutzpolitik ausreicht.“
Man kann es auch so deuten: …infolge der zahlreichen in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten gibt es viele Möglichkeiten bei fragwürdigem Nutzen eine vernünftigen, effizienten Weg zu wählen und die Bürger eines Landes nicht unnötig finanziell zu belasten.
In der Praxis wird das Pferd oft immer noch von hinten aufgezäumt. Man beginnt mit dem Mut des Verzweifelten – mit dem, was man glaubt auf Kosten der Kommune leichtens ändern zu können – mit dem wasserchemischen Zustandsorakel und täuscht manchmal nur mit einer Mischungsgleichung (Gymnasium) vor, dass dieser wasserchemische Zustand schlecht und unbedingt zu bessern sei. Die Konsequenzen der „Verbesserung“ werden nicht untersucht, denn dafür ist man nicht zuständig, wie auch für den Erfolg seiner wasserchemischen Überlegungen.
Wir sollten von der Jugend lernen! Sie kennt die Natur besser als man meinen könnte. Machen wir eine Probe auf’s Exempel:
Jeder kleine Junge überlegt sich zuerst, welche Fische er im Aquarium haben will, bevor er über Pflanzen oder gar Phosphor überhaupt nachdenkt!
Die Änderung der Anforderungen an den guten ökologischen Zustand oder für das gute Potential erlaubt die EU-WRRL ausdrücklich.
Eine Voraussetzung dafür ist zunächst die Erlangung der Deutungshoheit. Dabei sind die jeweiligen Passagen in der EU-WRRL zu finden, die eine Deutungsvielfalt erlauben. Ein Stichwort: Effizienz!
Ein guter Anfang zur Effizienz wäre es, sich von Naturromantik zu trennen, denn wir wollen ja etwas bewirken.
Das erste Foto ist natürlich eine schöne Darstellung von einer schönen Natur, so wie Städter sie lieben, wenn sie auf dem Balkon Sonnenblumen anbeten. Eine Sonnenblume – nicht jede – ist nämlich auch ein neuzeitliches Orakel; im ersten Sinne.
Das zweite Foto ist auch Natur, wenn auch – auf den ersten Blick gewertet – nicht ganz so schön. Ein wertbesessener „Ökologe“ aber würde von einem schlechten ökologischen Potential faseln. (Ein normaler Mensch wird ohne umständliche Erklärungen nicht verstehen, wovon er redet. Auch markant: Wir sind inzwischen soweit, dass wir uns bürokratisch sagen lassen müssen, wie wir die Natur gefälligst zu werten, zu verstehen und zu lieben haben.)
Aus meiner Sicht oder aus der Sicht Frosches, die ich mir zu eigen mache, ist der Zustand im 2. Bild geradezu paradiesisch schön. Denn: „böser“ Phosphor = viele Algen = dicke Kaulquappen = dicke Frösche = neugierige Störche! An der Kröte kann ein Naturromantiker – der Naturwissenschaften abgewählt hat – ersticken: Gewässerdüngung macht Störche satt!
Die „unschöne“ Natur verspricht eine reiche Froschernte, die nur dann genutzt werden kann, sofern der Gewässerunterhaltungsverband nicht schneller ist und alles Lebendige aus dem Graben ausschabt und tötet, ähnlich wie es einer Warze beim Hautarzt geschehen würde, der mit einem scharfen Löffel ihr zu Leibe rückt.
Aber ohne Gewässerunterhaltungsverband wäre alles eine feuchte lebendige Wiese ohne industrielle Landwirtschaft. Wie es dann aussehen könnte, ist hier zu erahnen: Fauler See.
Die Realität sieht oft so aus: Zuckerrüben bis zum Horizont, industrielle Landwirtschaft und industrielle Tierproduktion, hier und da verträumte industrielle Biogasanlagen deren Gärreste neben Gülle in den Einzugsgebieten ausgebracht werden. Als Antwort und Lösung für das „gute Potential“ als Orakel eine flächendeckende Verschärfung der Überwachungswerte für kommunale Kläranlagen.
Über 20 Jahre wegen der Besorgnis verschärfte Überwachungswerte (BSB, CSB, N und P) und niemand schaut nach, ob dies tatsächlich einen hinreichenden Effekt brachte oder gar effizient war.
Kein Wunder, dass sich manche Ökologen mit Grausen von einem solchen „Gewässerschutz“ abwenden.
Heute unverständlich, wie wir ohne EU-WRRL überhaupt die Gewässer zu schützen vermochten! Wie doof und ungebildet waren doch die alten Wasserwirtschaftler! Was muss das früher für eine naturfeindliche Welt gewesen sein. Keine Biomaisfelder, keine Windkraftwerke, wenige Wasserkraftwerke, industrielle Landwirtschaft in Maßen….
Ob des Pudelskern darin besteht, dass sich hinter jeder kleinen Regelung ein Arbeitsplatz versteckt und dass es schon lange nicht mehr um die Natur geht?
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[1] Vorreyer, ChristianErläuterungen zur Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG)
durchgesehen und ergänzt von Friedrich Schröder
Stand: Juni 2007
Wasserrecht für die betriebliche Praxis
2008 WEKA MEDIA GmbH & Co. KG
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