Dipl.-Ing. (FH); Dipl. Ök. Uwe Halbach, Institut für Wasserwirtschaft Halbach – Werdau (Sachsen)

Zusammenfassung

Beschrieben wird eine weniger bekannte, aber finanziell recht interessante Möglichkeit des dynamischen Kläranlagenausbaus, d. h. einer quasi stufenlosen Anpassung des Leistungsvermögens an das aktuelle Leistungserfordernis. Wirtschaftlich wird die Aufgabe derart gelöst, dass absehbares – aber später hinreichend sicher benötigtes – Erweiterungsvolumen für Belebungs- und Nachklärbecken bereits mit der ersten Ausbaustufe sehr preiswert realisiert wird.

Im günstigen Fall erfolgt bei diesem Ausbaumodus dann die künftige Kapazitätserweiterung zunächst nur durch einfache Anhebung der Belebtschlammkonzentration und – je nach Umfang des Kapazitätsbedarfs – auch ggf. sukzessive durch Nachrüstung der Maschinentechnik, z. B. Gebläse bzw. Belüfter.

Im ausgewählten Beispiel verursacht eine Kapazitätsreserve von 50 % bei der Belebung und Nachklärung zusätzliche einmalige Aufwendungen in einer Kostenhöhe von nur 15 %.

Bei der oft beobachteten kompromisslosen Auswahl nach der billigsten Lösung erleidet jedoch die Kommune oder der Verband meist beträchtliche finanzielle Nachteile, die sich aber eher in der Zukunft zeigen.

Das Ergebnis ist bei ausschließlicher Konzentration auf die Kostenminimierung oft stark von Qualitätsmängeln geprägt.
Je niedriger der Preis ist, desto größer ist erfahrungsgemäß das Risiko, später unverhältnismäßig mehr zuzahlen zu müssen, um die notwendigen Gebrauchswertaspekte wenigstens nachträglich gewährleisten zu können.

Werden die Kostenstrukturen von Kläranlagen untersucht, so stößt man auf ein Paradoxon: Die Anlagenteile, welche die biologische Reinigung des Abwassers bewirken – die Belebungsbecken und die Nachklärbecken nämlich – kosten im Verhältnis zu den Aufwendungen für die Gesamtanlage erstaunlich wenig. Diese einmaligen Aufwendungen betragen je nach Verfahren nur 20…30 % der Gesamtinvestkosten.

Da erhebt sich nun die Frage, ob eine allgemein weit verbreitete umfangreiche Minimierung dieses reinigungswirksamen Beckenvolumens – z. B. im Ergebnis von Fallunterscheidungen unterschiedlicher Denitrifikationsverfahren – tatsächlich zweckmäßig ist.

Gleichermaßen erscheint auch der Bemessungsansatz einer optimalen Belebtschlammtrockensubstanz in Bezug auf die Minimierung des Gesamtvolumens von Belebungs- und Nachklärbecken nur wenig sinnvoll.

Wenn also Belebungs- und Nachklärbecken zu den effektivsten Anlagenteilen zu zählen sind, dann sollte deren Volumen doch nicht unbedingt minimiert werden!

Zugegeben, diese Überlegungen sind nicht ohne weiteres mit den üblichen kommunalen und behördlichen Entscheidungsgepflogenheiten und Erwartungen (von Ausnahmen abgesehen) in Einklang zu bringen, zumal – sicherlich in vielen Fällen nicht ganz unberechtigt – der kommunalen Abwasserentsorgung der schlechte Ruf der Geldverschwendung zunehmend anhaftet.

Zu berücksichtigen wäre aber auch, dass – bedingt durch den meist kompromisslosen und kurzsichtigen Auswahlmodus nach dem niedrigsten Kläranlagenpreis – den Kommunen in der Regel mittel- oder langfristig bedeutende Nachteile entstehen, die den finanziellen Mehraufwand für eine bessere Variante bei weitem übersteigen.

Die niedrigen Angebote beinhalten also meist ein selten hohes Risiko, später zuzahlen zu müssen. Und wenn dieses später erforderliche Geld zu dem billigen Angebot hinzugerechnet wird, dann hat die Kommune auch genug Geld, um sich etwas ordentliches zu leisten. Es besteht mitunter sogar die Gefahr, alles zu verlieren, wenn die Billigkläranlage ihre Aufgabe nicht oder nur teilweise erfüllen kann, weil sie unvollständig ist oder andere Mängel aufweist, die erst später bemerkt werden; um die Empfehlungen des englischen Sozialreformers John Ruskin (1819-1900) im angewandten Sinne wiederzugeben. Besser als er kann man diese Problematik nicht auf den Punkt bringen. Aus der Sicht des Gutachters – auf seinem Tisch landet meist das auf den ersten Blick Bedenkliche, und seine Einschätzung der durchschnittlichen Realität ist daher vielleicht etwas verzerrt – scheint es jedoch nur Extreme in den meisten Kommunen zu geben. Entweder es wird zu viel ausgegeben, oder es wird an der falschen Stelle gespart. Die Tugend liegt aber in der Mitte, wie Aristoteles erst vor „wenigen“ Jahren feststellte.

Für diesen – bei der Submission oft ignorierten – Mehraufwand gibt es u. a. 2 Gründe:

Zum einen werden Anbieter im Rahmen von Funktionalausschreibungen ihr eigenes Fachwissen und Leistungsvermögen für die Kommune nur bedingt erschließen können, weil eine bessere Qualität, die sie bestimmt anbieten können, eben ihren Preis hat.

Besondere Qualität fällt auch deshalb aus, weil die Anbieter wissen, dass in der Regel nur „Billiglösungen“ eine Chance haben. Außerdem gibt es bei Anwendung der VOB kaum Spielraum für derartige intelligente Entscheidungen auf kurzem Wege.

Trotzdem gibt es auch bei der Anwendung der VOB eine ziemlich sichere Alternative: Qualitätsaspekte müssen vor der Investition bekannt sein und rechtzeitig in die Aufgabenstellung einfließen, wenn deren Berücksichtigung Erfolg haben soll. In einem Wettbewerb, bei dem jedoch nur der niedrigste Preis zählt, ist Qualität eben out. Um nicht falsch verstanden zu werden:

Dem Autor geht es nicht darum, dass für ohnehin schon aufwendige Kläranlagen mit dem gleichen Gebrauchswert und gleicher Leistung – wie in der Vergangenheit zu beobachten – z. B. ein doppelter Preis gezahlt wird. Es soll vielmehr der Kauf einer Anlage mit einem höheren Gebrauchswert für einen verhältnismäßigen und berechtigten Preis erwogen werden!

Wie ist nun der etwas schwierigere und „aristotelische“ Weg des Kläranlagenausbaus zu beschreiten?

Die Taktik ist relativ einfach aufgezeigt: Es ist nur eine ausgezeichnete, wohldurchdachte und variantenreiche Vorplanung mit überdurchschnittlicher Aussage und risikominimierter Grundlagenprognose erforderlich bzw. eine analog anspruchsvolle Aufgabenstellung für eine Funktionalausschreibung, sollte man zu dieser Alternative neigen.

Hier ist sicherlich auch ein etwas überdurchschnittlicher Vorbereitungsaufwand notwendig. Inzwischen ist wohl vielen klar, dass gerade die Vorplanungen, Studien und Gutachten dazu beitragen können, den späteren Investitionsaufwand in einer Größe von ca. 70 % zu senken. Wenn der Auftraggeber jedoch bei der Investitionsvorbereitung spart, wird er selten in den Genuss einer Investition mit hohem Gebrauchswert kommen.

Auch ist es nur bei bewährter vertrauensvoller Zusammenarbeit ggf. ratsam, diese sensible Phase dem zu überlassen, dessen Gewinn mit der Investitionshöhe progressiv gekoppelt ist.

Also ist nicht nur die Qualität der Investitionsvorbereitung bedeutend anzuheben, sondern es sind auch wirksame Kontrollmechanismen vorzusehen.

Hier gilt es u. a. sich Zeit zu lassen, umfangreich abzuwägen, sich eine eigene Meinung über besonders wichtige fachliche Zusammenhänge zu bilden und nichts „übers Knie zu brechen“.

Nun bietet die Konzeption von Kläranlagen die hervorragende Möglichkeit, einen Leistungsbereich zu gestalten und zu nutzen. Analoges kennt man vom Automobilbau.

Niemand wird es dem Autofahrer zumuten wollen, dass er bei einer bestimmten Stellung des Gaspedals anhalten muss, um mal schnell einen stärkeren Motor einzubauen.

Also jede Anlage sollte einen gewissen dynamischen Leistungsbereich aufweisen, der es erlaubt, auch einen wirtschaftlichen Arbeitsbereich zu erschließen. Wie der wirtschaftliche Leistungsbereich der einzelnen Anlage zu wählen ist, hängt von niveauvollen und tatsächlich wertvollen Prognosen einschließlich Fallunterscheidungen und Abschätzungen der Wahrscheinlichkeit der gewünschten Primärdaten ab.

Beim Ausbau von Kläranlagen gibt u. a. 3 grundsätzliche Möglichkeiten:

  • Ausbau hinsichtlich der steigenden Anforderungen des Gewässerschutzes und der Wirtschaftlichkeit, z. B. erst Kohlenstoff-, dann Phosphor- und dann Stickstoffelimination
  • Ausbau in Straßen, die Bausteine der Kläranlage werden in parallelen Straßen angeordnet, sofort errichtet und/oder bei Erweiterung analog neu errichtet
  • dynamische Anpassung durch frühzeitige Schaffung eines Leistungspotentials

Die erste Variante des Kläranlagenausbaus ist die Variante mit dem geringsten Risiko.

Der Beweis liegt auf der Hand. Es gäbe im Osten keine einzige Kläranlage, die den Namen „überbemessen“ verdient, hätte man sich zunächst erst einmal auf die biologische Grundreinigung und vor allem auf die eigentliche abwasserwirtschaftliche Aufgabe konzentriert, das Abwasser überhaupt erst mal zur Kläranlage zu bringen.

Hier unterlag wohl die große und kleine Umweltpolitik zu schnell den Wünschen und dem Drängen der Umweltindustrie bzw. -dienstleistung. Die Bemessung einer Kläranlage für Stickstoffeliminierung in üblicher Weise ist spekulativ, weil z. B. viele Bemessungsdaten buchstäblich zu raten sind.

Die zweite Variante ist zwar meist genauso riskant wie die erste Möglichkeit, jedoch ist der Schaden geringer, wenn es schief geht, weil noch nicht „alles“, was man sich vorstellen konnte und wünschte, gebaut wurde.

Die dritte Variante scheint – dosiert genutzt – eine interessante Möglichkeit des Anlagenausbaus zu sein, bei der verfahrenstechnische Freiheitsgrade mit der Schaffung eines kostengünstigen Beckenvolumens gleich am Anfang optimiert werden.

Der spätere Ausbau liegt bei der Erschließung der maximalen Leistungsgrenze der Kläranlage; schwerpunktmäßig im Bereich der Modernisierung und Leistungssteigerung bei der Ausrüstung. Also zuerst genügend und mehr Beckenvolumen (Beton) vorsehen sowie weniger Maschinentechnik planen und im günstigen Fall wird nach Abschreibung der Ausrüstung diese modernisiert und/oder gleichzeitig die Leistung der Ausrüstung gesteigert.

Verfahrenstechnisch bietet sich an, die Belebungs- und Nachklärbecken so zu bemessen, dass die Leistung – von kleineren späteren Nachrüstungen von Maschinen mal abgesehen – durch „einfaches Drehen an einem Rädchen“ hochgeschraubt werden kann.

Im Rahmen dieses Beitrages ist es nicht möglich, alle Eventualitäten und Faktoren aufzuzeigen, die bei dieser Variante zu berücksichtigen wären, aber folgende 5 Punkte sollen das Prinzip veranschaulichen:

  • Bemessung des Belebungsbeckens für einen TS-Gehalt von z. B. 2 g/l
  • Bemessung des Sauerstoffeintrages für die aktuellen Anforderungen, jedoch nachrüstbar konstruieren und konzipieren
  • Bemessung der Nachklärbeckentiefe für einen TS-Gehalt von z. B. 5 g/l, einen ungünstigen Schlammindex sowie Auswahl und Installation eines leistungsfähigen Schlammräumsystems
  • Bemessung der Nachklärbeckenoberfläche für eine z. B. 20…30 % größere Abwassermenge
  • Bemessung der Rücklaufschlammpumpen für die aktuellen Anforderungen, jedoch nachrüstbar gemäß Punkt 4 konstruieren und konzipieren

Natürlich sind Vorkehrungen zu treffen und Nachweise vorzulegen, dass nachteiligen Konsequenzen einer gewissen Unterlastung planmäßig begegnet wird.

Im Falle planmäßiger oder unvorhersehbarer Zunahmen von Abwasserlast und -menge kann die Kapazität des Belebungsbeckens ohne Probleme bei diesem Beispiel verdoppelt werden, indem einfach der Belebtschlammgehalt von 2 g/l auf 4…5 g/l hochgefahren wird. Reicht die Sauerstoffeintragskapazität nicht aus, so wäre lediglich die Belüftungskapazität zu erhöhen, indem entweder Gebläse oder z. B. Tauchbelüfter nachgerüstet werden. Im Fall günstiger Belebtschlammeigenschaften ist die Leistung der Anlage noch weiter zu steigern, ohne dass wesentliche bauliche Änderung an der Anlage vorgenommen werden müssen. Bei der Wahl einer derartigen Ausbauvariante ist auch die Kläranlagengröße von Bedeutung.

Natürlich sind diese Anregungen kein Rezept für alle Fälle. Wenn einerseits die momentane Abwassermenge und Abwasserlast sowie -zusammensetzung genau bekannt ist und andererseits eine perspektivische Erweiterung der Kläranlage mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, macht es keinen Sinn, Reserven für unsichere Kapazitäten vorzuhalten und einzuplanen, seien sie auch finanziell noch so preiswert.

Nachteilig sind der höhere finanzielle und zeitliche Aufwand im Rahmen der Investitionsvorbereitung sowie die höheren Investkosten. Es gibt aber keine Investition ohne Nachteile und Risiken. So sind bei solchen Entscheidungen sorgfältige Abwägungen – auch von der Kommune oder dem Verband – zu treffen. Fallunterscheidungen können diese Aufgabe erleichtern und die kommunalwirtschaftlichen Konsequenzen verdeutlichen.

Die Gegner eines solchen Vorschlages werden einwerfen, dass die Kläranlage dann zu 50% überbemessen wurde, eine Fehlplanung darstellt, nicht förderfähig ist und außerdem die Bürgerbewegungen zurzeit gerade besonders aufmerksam sind. Ob alle Recht behalten, kommt darauf an, wie viel die Anlage dann tatsächlich mehr kostet und welche „Leichen“ sonst noch im Keller liegen. Schließlich hat die Kommune 2 Möglichkeiten: Die erste – nicht so gute – ist die, dass der Bürgermeister sagt, ich, d. h. wir möchten eine Kläranlage, die das Abwasser von 75 000 E+EGW behandeln kann. Eine Kläranlage für 75 000 E+EGW würde unter gleichen Bedingungen 11,6 Mio EUR kosten. Das sind 33 % Mehrkosten anstelle von nur 15 % Mehrkosten bei der dynamischen Ausbauvariante. Dann bezahlen die Bürger meist neben dem Preis einer solchen Anlage auch noch einen – um es vorsichtig auszudrücken – „Unwissenheitsaufschlag“.

Die 2. Möglichkeit besteht darin, dass gesagt wird, also wir möchten eine Kläranlage für 50 000 EGW, aber das Belebungsbecken wird bitte nur mit 2 g TS/l bemessen und das Nachklärbecken soll auch noch bei 5 g TS/l funktionieren, ohne dass der Schlamm zu lange in ihm verweilt und vor sich hin gammelt. Und überhaupt ist Sorge zu tragen, dass die Anlage im gesamten Leistungsbereich das bestellte Leistungsvermögen aufweist, auch wenn das eine Gebläse für einen späteren Ausbau für 75 000 EGW noch nicht gekauft ist und z. B. eine Rücklaufschlammpumpe noch fehlt. In diesem Falle ist ein gewisser Mehrpreis zu zahlen, und es steht nur noch die Frage, inwieweit er verhältnismäßig ist.

AUSBAUVARIANTE –
ENDAUSBAU OHNE WIRTSCHAFTLICHE KAPAZITÄTSRESERVE
Gesamtanlage 50 000 E+EGW
Volumen des Belebungs- und des Nachklärbeckens 50 000 E+EGW
ursprünglich geplante Kapazität der Kläranlage 50 000 E+EGW
Gesamtkosten, geschätzt 8,7 Mio EUR
Anteil davon für Belebungs- und Nachklärbecken, einschließlich Ausrüstung 20…30 %, gewählt 30%
Anteil für Belebungs- und Nachklärbecken, einschließlich Ausrüstung 2,6 Mio EUR
Kosten der Kläranlage ohne komplettes Belebungs- und Nachklärbecken 6,08 Mio EUR
Kostendegressionskoeffizient für diese Anlagenteile, angenommen 0,70
AUSBAUVARIANTE –
ENDAUSBAU MIT WIRTSCHAFTLICHER KAPAZITÄTSRESERVE
Kapazitätsreserve für Belebung und Nachklärung, gewählt 50%
Kapazitätsreserve für Belebung und Nachklärung, gewählt 25 000 E+EGW
Realisierung des Bauanteils der Belebung und Nachklärung für 75 000 E+EGW
Realisierung Ausrüstung für Belebung und Nachklärung, jedoch nur für 50 000 E+EGW
Kosten der Belebungs- und Nachklärbecken bei 25 000 E+EGW Kapazitäts-reserve dieser Anlagenteile 3,5 Mio EUR
Zuschlag für zweckmäßige ausgewählte größere Bemessung, z. B. einige Kanäle und Rohrleitungen 0,4 Mio EUR
Kalkulierte Gesamtkosten dieser Bemessungsvariante 10 Mio EUR
Potentialzuwachs – Volumen der biologischen Stufe (BB + NK) 50,0%
Mehraufwand für diesen Volumenzuwachs 1,3 Mio EUR
Mehraufwand für den Volumenzuwachs der biologischen Stufe 15%

Die finanziellen Konsequenzen auf der Grundlage einer einfachen Schätzung sind aus der Tabelle ersichtlich.

Zur Erläuterung: Angenommen, eine Kläranlage für 50 000 EGW soll 8,7 Mio EUR kosten. 30% = 2,6 Mio EUR dieser Summe werden für die kompletten Belebungs- und Nachklärbecken veranschlagt. Man beabsichtigt, ein zusätzliches Leistungspotential von 50% für das Volumen von Belebungs- und Nachklärbecken vorzuhalten. Mit Hilfe einer Kostendegression von 0,70 lassen sich für die größere Dimensionierung für o. g. Positionen Kosten in einer Höhe von 3,5 Mio EUR kalkulieren. Eine weitere Vorhaltung von Mehrleistungen, z. B. für ausgewählte Kanäle, wird in einer Höhe von 0,4 Mio EUR veranschlagt, so dass die Vergrößerung der Leistung der Belebungs- und Nachklärstufe insgesamt eine Kostensteigerung um 15% verursacht. Das sind nur 1,3 Mio EUR einmalige Mehrkosten für ein zusätzliches Leistungspotential von 50 %! Ein sehr günstiges Angebot, das man auch privat nutzen würde. Am besten vergleichbar damit, dass für nur 15 % Urlaubspreiserhöhung der Bauch nicht 2 Wochen, sondern 21 Tage im Urlaub in der Sonne liegt.

Größere Reinigungsvolumen führen zu dem betrieblichen Vorteil der stabileren Fahrweise und einer hohen Anpassungsfähigkeit im Vergleich zu minimierten Beckenvolumina.

Die Schaffung größerer Volumenreserven erlaubt es, gegebenenfalls die Anlage anfangs als simultane Schlammbehandlung zu betreiben. Mit Zunahme der Abwasserbelastung – ab einem bestimmten Zeitpunkt – muss dann an eine externe Nachstabilisierung – aerob oder anaerob – gedacht werden. Das bedeutet aber, dass zusätzliche Belebungs- und Nachklärbecken nicht gebaut werden müssen und dafür keine umfangreichen Investitionen anfallen. Damit werden schließlich Bemessungsrisiken der Schlammbehandlung reduziert, weil mit späterer Bemessung sicherlich auch hinreichende Informationen über die Schlammeigenschaften vorliegen.

Hinsichtlich momentan anstehender Investitionsentscheidungen erlauben die zurzeit niedrigen Baupreise eine besonders günstige Schaffung von Reinigungsvolumen.

Folgende wesentliche Vorteile dieser Konzeptionsvariante zeichnen sich ab:

  • Sollte eine bedeutende Leistungssteigerung der Kläranlage, z. B. im Ergebnis der Ansiedlung eines Starkverschmutzers, notwendig werden, so können innerhalb von 2-3 Monaten meist sehr kurzfristig die Voraussetzungen geschaffen werden.
  • Eine gewisse Leistungssteigerung ist schon durch einfaches Anheben der Belebtschlammkonzentration unkompliziert und in einem gewissen Grade immer möglich.
  • Bei der Belüftungsleistung ist zu beobachten, dass die Kläranlagen in aller Regel über Reserven beim Sauerstoffeintrag verfügen und so eine Belastungszunahme leichter kompensieren können, was eine deutliche Leistungssteigerung u. U. ohne zusätzliche Investitionen begünstigt.
  • Eine Leistungssteigerung der Belüftung ist in aller Regel weniger aufwendig und weniger kompliziert als außerdem die Schaffung von Beckenvolumen.
  • Die nachträgliche Schaffung von bedeutenden Beckenkapazitäten auf einer vorhandenen Kläranlage bei laufendem Betrieb ist oft eine komplizierte und meist um vieles aufwendigere Angelegenheit, als wenn diese Volumina gleich während des ersten Baus der Kläranlage mit berücksichtigt werden.

Für den Fall, dass die Anforderungen nach § 7 (a) Wasserhaushaltsgesetz schrittweise zu erfüllen sind, z. B. speziell in Sachsen, bieten sich u. a. 2 Varianten an:

  • Konzipierung der Belebungsbecken für die biologische Grundreinigung derart, dass diese Becken später zur vorgeschalteten Denitrifikation genutzt werden können.
  • Konzipierung der dynamischen Ausbaualternative erst bei Nachrüstung einer Denitrifikation.

Grundsätzlich ist besonders zu beachten, dass es bei der Kläranlagenmodernisierung kein allgemeingültiges Rezept bzw. eine a.a.R.d.T. gibt. Der Autor ist geneigt anzunehmen, dass wohl jedes Konzept eine Einzelfallbetrachtung verdient. Der Grund liegt einfach darin, weil die Wahl der günstigen Endlösung einer hohen Zahl von Einflussfaktoren unterliegt und es höchst unwahrscheinlich ist, dass z. B. die Ausgangsbedingungen und die Zielkomponenten von 2 zu vergleichenden Kläranlagen völlig identisch sind. Im Übrigen würde dies auch der Investitionslehre und den Erfahrungen völlig widersprechen. Insofern ist es also klug, wenn das Regelwerk in diesem Punkt so verstanden wird, wie es auf jedem Arbeitsblatt zu lesen ist: „…Das Regelwerk ist nicht die einzige, sondern eine wichtige Erkenntnisquelle für fachgerechte Lösungen von Aufgabenstellungen der Abwasser- und Abfalltechnik im Normalfall…“ Wo aber finden wir bei einem Kläranlagenbau schon den Normalfall?

Übrigens ist die genannte Kapazitätsreserve von 50 % nur aus Gründen der Veranschaulichung gewählt, denn Übertreibung veranschaulicht. Möglicherweise ist man mit weniger Reserven meist auch schon ganz glücklich und zufrieden. Schließlich kann genauso eine Kombination der o. g. 3 grundsätzlichen Ausbaumöglichkeiten untereinander eine zweckmäßige und interessante Lösung sein.

Und um mit John Ruskin abzuschließen

„Es gibt kaum etwas auf der Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.“

Erschienen in der Korrespondenz Abwasser 1997, Heft 5

Ergänzung und Nachtrag am 29.10.1999 zu ausgewählten Problemkreisen

Bei einer Minderung der Abwassermenge vergrößert sich in aller Regel das Belebungsbeckenvolumen, weil damit weniger Stickstoff aus der Anlage „herausgespült“ werden darf und damit die Kläranlage mehr Stickstofffracht eliminieren muss.

Andererseits reduziert sich das Vorklär- und Nachklärbeckenvolumen.

Ohne weitere Berechnung kann man vermuten, dass eine gravierende Kostenänderung bei einer Reduzierung der Abwassermenge in gewissen Grenzen natürlich keine erhebliche Kostensenkung verursachen wird. Das liegt auch darin begründet, weil das Beckenvolumen das preiswerteste Element einer Kläranlage ist.

Die Betriebskosten könnten etwas ansteigen, da bei geringeren Abwassermengen mehr Energie für die Stickstoffentfernung benötigt wird. Die Energiekosten für die Abwasserhebung dürften sich jedoch reduzieren.

Insgesamt gesehen werden auch hier keine kostenmäßigen Überraschungen erwartet, weil im Verhältnis zu den recht erheblichen Energiekosten für die Belüftung die Energiekosten für die Abwasserhebung eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Eine Vergrößerung der Abwassermenge führt analog zu einer Verkleinerung der Belebungsbecken.

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