Überflutung – Bewertung einer Schadensursache

Bewertung einer Schadensursache als Rückstau, Einstau, Überstau und/oder Überflutung

Uwe Halbach
ö.b.u.v. Sachverständiger für Abwasserbeseitigung

(Beitrag vom Februar 2010, mehrmals ergänzt)

Bei der Bewertung der Schadensursache durch Wasser aus Kanalisationen ist nach [2], [3] und [5] zu differenzieren zwischen:

  • Einstau – Wasserstand zwischen Rohrscheitel und GOK (hinreichend präzise: Schachtdeckelunterkante wird nass). Der Energiespiegel im Abwasserkanal steigt über den Rohrscheitel = Rückstau, d. h. das Abwasser bleibt im Kanalsystem
  • Überstau – Wasserstand auf bzw. über GOK. Insoweit als Bezugsebene für den Überstau die GOK gewählt wurde – siehe auch empfohlene Überstauhäufigkeiten Tabelle 3 [2] – entspricht ein Überstau einem Wasseraustritt aus der Kanalisation (hinreichend präzise: Kanaldeckeloberkante wird nass) „Überstau bezeichnet einen Zustand, bei dem der Wasserstand die Geländeoberkante erreicht und das Wasser aus dem Kanalnetz auszutreten beginnt bzw. zufließendes Wasser nicht vom Kanalnetz aufgenommen werden kann.“ [5]
  • Überflutung – Auftretende Schäden bzw. Funktionsstörungen durch Überstau. Energielinie bis über Gelände, Abwasseraustritt aus dem Kanal. Abwasser fließt auf Überschwemmungswegen ab, d. h. das Abwasser fließt z. T. oder vollständig aus dem Kanalsystem heraus. (Kanaldeckeloberkante wird nass und durch den Wasseraustritt können Schäden entstehen) „Als Überflutung wird in Deutschland ein Zustand angesehen, bei dem ein Wasserstand auf der Oberfläche auftritt, der einen Schadensfall nach sich ziehen kann.“ [5]  (Kommentar: Die Kombination mit der Möglichkeit eines Schadens überzeugt nicht. Massives Austreten von Wasser z. B. aus einem Schachtdeckel ist hydraulisch gesehen eine Überflutung, die nicht regelgerecht und nach der DIN  752-2 zu  begrenzen ist. Oberflächenüberflutung nach DIN 752-1: „Zustand, bei dem Schmutzwasser und/oder Regenwasser aus einem Entwässerungssystem entweichen oder nicht in dieses eintreten können und entweder auf der Oberfläche verbleiben oder von der Oberfläche her in Gebäude eindringen (siehe auch „Überflutung“)“ und Überflutung nach DIN 752-1: “ Zustand, bei dem Schmutzwasser und/oder Regenwasser aus einem Entwässerungssystem entweichen oder nicht in dieses eintreten können oder in Gebäude eindringen.“ )

(GOK = Geländeoberkante)

Meine Ergänzungen:

1. Rückstau = Wasserspiegel im Kanal wird angehoben, berührt aber noch nicht den Rohrscheitel. Berührt er den Rohrscheitel, dann wird der Rückstau aus hydraulischer Sicht zum Einstau. Nach allgemeinem Verständnis bleibt es ein Rückstau.

2. Hinsichtlich Überflutung bei der Siedlungsentwässerung in Kombination mit der Möglichkeit von Schäden durch Wasserabfluss außerhalb von Kanalisationen:

  • Überflutung durch oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser innerhalb der Siedlung
    • oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser gelangt gar nicht erst in Kanalisationen, weil diese
      • überlastet oder
      • nicht leistungsfähig genug sind oder
      • nicht vorhanden sind
  • oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser von außen liegenden Gebieten (z. B. Wiesen, Feldern, Wald) verursacht Schaden
    • durch seinen oberflächlichen Ablauf
    • durch sein nicht berücksichtigtes Eindringen in Kanalisationen (Folge: Überlastung der Kanalisationen)

Ggf. Planungsmangel: Abflüsse in Gräben oder kaum sichtbar ausgeprägten Tälern, die sich nur bei Starkregen mit Wasser füllen, werden unterschätzt oder gar nicht berücksichtigt. Das betrifft auch das Füllen von Mulden in Siedlungen bei Extrem- oder Starkregen.

Die Ableitung oberflächlich ablaufenden Niederschlagswassers von außen liegenden Gebieten in Kanalisationen ist ein Ausnahmefall, der besonderer Vorkehrungen bedarf.

In der Regel sollte die Abflussspitze von oberflächlich ablaufenden Niederschlagswassers von außen liegenden Gebieten durch Seen und/oder Regenrückhaltebecken vergleichmäßigt werden und der Abfluss dann gedrosselt unmittelbar in die Vorfluter möglichst in Gräben abgeleitet werden.

Hinweise zur Wertung von Rückstau

Im Fall eines Gutachtens für die Stadt Bornheim waren Überflutungen bzw. Kanalüberschwemmungen infolge Überstau relevant. Bei der Erstellung der Generalentwässerung wurde erkannt, dass ein Gebiet überflutungsgefährdet ist.

Es gelang zwar mit Erfolg die hydraulische Leistung der betreffenden Kanalabschnitte im Zuge der folgenden Kanalbaumaßnahmen deutlich zu vergrößern. Ein über die Spende des angesetzten Bemessungsregens hinausgehendes Ereignis führt aber trotzdem zwangsläufig zu einer Überflutung dieses Gebietes.

Nach dem technischen Regelwerk A 118 „Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen“ [2] gilt:

Ist eine Überflutung angrenzender Grundstücke aufgrund der topographischen und sonstigen örtlichen Gegebenheiten zu befürchten, sind geeignete (konstruktive) Maßnahmen am Straßenverlauf umzusetzen oder die Ableitung des überschüssigen (Ab-)Wassers in ungefährdete Flächen zu prüfen.

Bei dem Schutz vor Überflutungen ist das Geländeprofil zu berücksichtigen:

Überflutungsschutz für Gebäude

Geländeneigung eines Baugrundstückes nach Gassener, E. und Heckenbücker, B. (Quelle: [4, S. 331])

Überflutung

Höhenlage eines Hauses und Oberflächengestaltung der Umgebung mit Rücksicht auf die Ableitung der Niederschläge [4

Geländeregulierung zum Schutz der Bebauung gegen Überflutung nach [5]

Überflutung

Geländeregulierung zur Sicherung der Bebauung durch Überflutungsgefahr [5

Weitere Hinweise unter [4,  Kapitel 10].

Private Gebäudesicherung gegen Schäden durch oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser durch den Grundstücks- bzw. Gebäudeeigentümer

Fallbeispiel 1 aus Bad Elster:

Flutweg

Flutweg für oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser – MediClin – Gebäude in Bad Elster (Der Hang links gehört zum Brunnenberg)

Fallbeispiel 2 aus Marienbad

(Nachtrag am 02.01.2016)

Flutweg

Oberer Flutweg für oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser – Gebäude der Univerzita Karlova V Praze in Marienbad

Flutweg

Unterer Flutweg für oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser als zusätzliche Sicherung der Lichtschächte – Gebäude der Univerzita Karlova V Praze in Marienbad

Flutweg

Mündung des oberen in den unteren Flutweg für oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser und weiterer Verlauf bergabwärts – Gebäude der Univerzita Karlova V Praze in Marienbad

Fallbeispiel 3 aus Brumby:

Flutweg

Wohl von der Kommune angelegter Flutweg in Brumby: Sachsen – Anhalt

Fallbeispiel Festung Königstein

Ein Flutweg vor dem Gebäude und Wasser weg von der Hausmauer, erbaut 1 500…1 600 ? Foto: U. Halbach

 

 

Die Gebäudesicherung gegen Schäden durch oberflächlich ablaufendes Niederschlagswasser kann gegliedert werden in private Sicherungen durch den Gebäude- bzw. Grundstückseigentümer und in jene öffebtlichen Sicherungen für die die Kommune zuständig sein dürfte.

Meist wird ein Niederschlagswasserbeseitigungskonzept notwendig werden, denn der beste private Flutweg ist nutzlos, wenn das Wasser nicht ohne Schäden bis in das nächste Fließ- oder Standgewässer abgeleitet werden kann.

Es hat den Anschein, dass das Anlegen eines Flutweges eher die Antwort auf einen bereits eingetretenen Schaden ist, als Konsequenz einer  rechtzeitigen Nutzung wasserwirtschaftlichen Sachverstandes. Den Ingenieuren muss zu Gute gehalten werden, dass ihre Ratschläge, wenn deren Umsetzung Geld kostet, in den Kommunen wenig auf Gegenliebe stoßen. Andererseits ist eine gewisse Grundskepsis in den Kommunen gegenüber „Beraterratschlägen“ auch zu verstehen.

Ziel und Sinn von Überflutungsnachweisen:

„Im Rahmen des Überflutungsnachweises werden die Auswirkungen der aus dem Kanalnetz ausgetretenen Wassermengen durch lokale Maßnahmen, wie z. B. Erhöhung von Bordsteinkanten, Schaffung oberirdischer Überflutungswege, etc. auf ein Mindestmaß reduziert.“ [5]

Bzw. meine Auswertung, Ergänzung und Meinung:

Auf der Grundlage eines Überflutungsnachweises können und müssen (DIN EN 752-2) die Auswirkungen der aus dem Kanalnetz ausgetretenen Wassermengen durch lokale Maßnahmen, wie z. B.

  • Erhöhung von Bordsteinkanten,
  • Schaffung oberirdischer Überflutungswege,
  • etc.

auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Eigentümer gefährdeter Grundstücke sind nachweislich über die mögliche Gefahr einer Überflutung zu informieren.

Siehe auch:

Literatur

[1] Abwassertechnische Vereinigung e. V.
Richtlinien für die hydraulische Berechnung von Schmutz-, Regen- und Mischwasserkanälen
1984, 5. Auflage (unveränderter Text von 1977), ATV-A 118

[2] Abwassertechnische Vereinigung e. V.
Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen
1999, ATV-A 118

[3] ATV-Handbuch
Bau und Betrieb der Kanalisation
Ernst & Sohn Verlag, 4. Auflage 1995

[4] ATV-Handbuch
Planung der Kanalisation
Ernst & Sohn Verlag, 4. Auflage 1994

[5] Federal Housing Administration: Land Planning.
Bulletin Nr. 3. Abschnitt Block and Lot Grading,
Washington D.C. (1954/8)
aus [4] [6] Überstau und Überflutung
Arbeitsbericht der ATV-Arbeitsgruppe 1.2.6
KA Abwasser Heft 9 (1995) S. 1597-1598

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Ergänzt am 09.12.2011

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