Literaturrecherche:

1. Bau und Betrieb der Kanalisation – Exzerpt aus

[3]

  • Ein besonderes Interesse fanden in den letzten Jahren – aus diesen Untersuchungen heraus die Netz-Füllungszustände bei Stau (Energiespiegel im Abwasserkanal steigt über den Rohrscheitel = Rückstau) oder Kanalüberschwemmung (Energiespiegel bis über Gelände, Abwasseraustritt aus dem Kanal auf Überschwemmungswege [430, 431]). Während im ersteren Zustand der Wasserzugang durch Stau in nicht nach DIN 1986, Abschn. 7, von 1988, (149], ausreichend gesicherte Keller beginnt oder beginnen kann – mit steigender Staulinie (= Energielinie) zunehmend – können im letzteren Fall der Überschwemmung Gefährdungen für tiefer liegende Grundstücke und Anlagen entstehen, evtl. eine Haftung des Kanalnetzbetreibers nach unserer bisherigen Rechtsprechung auslösend
  • Hatte man früher solche Fälle als solche „höherer Gewalt“ gesehen, so ist diese Sicht jetzt aus der neuen Haftpflicht – zum Schutze des Bürgers – differenziert zu sehen, je nach der Häufigkeit solcher Vorkommnisse. Damit muß sich der planende Ingenieur – was bisher weitgehend nicht üblich war – auch mit der Frage der „Überschwemmungswege“ zukünftig befassen.
  • Im Normalfall erfolgt der Abfluß – bei extremen Abflüssen aus Niederschlag – aus den Straßeneinläufen ausströmend statt zulaufend, dem natürlichen Geländegefälle folgend über die Straßenfahrbahn, zwischen den Randsteinen. Diese zusätzliche, erhebliche Abflußkapazität (neben dem Kanalsystem) ist jedoch eingeschränkt, wenn niedrige Randsteinhöhen zu tiefer liegenden Garagen oder Parkplätzen evtl. auch aus Einläufen dort (!) – aus diesem „Straßenabfluß“ seitlich zu Überschwemmungswegen über die Grundstücke führen, eventuell Schäden verursachend.
  • Auch Kanaldeckel-Aushebungen kommen vor. Bei Deckeln „mit Lüftung“ ist die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens geringer (Entlastung durch Luftaustritt).
  • Ebenso können diese „Überschwemmungswege“ an Straßenkreuzungen, Tiefpunkten, aber auch Unterführungen zu seeartigen größeren Stauen führen, woraus sich auf dem weiteren Überschwemmungsweg Schäden ergeben können. Hier kann, wenn dies mit – nach Beurteilung des Gerichts – unzumutbarer Häufigkeit vorkommt, die Gemeinde haftpflichtig sein. Ähnlich wohl auch, wenn Schäden daraus (z. B. gekippte Zäune/Mauern, überschwemmte Keller) „vorhersehbar“ waren.
  • Es wird daher nötig sein, solche Fälle vorher als „Überschwemmungswege“ zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen für eine schadlose Ableitung zu sorgen, Risiken dabei zu mindern. [3] (S. 57)
  • „Um eine ordnungsgemäße Entwässerung zu den Straßen hin zu gewährleisten, wird man die Höhenlage der Gebäude und des sie umgebenden Geländes sorgfältig darauf abstimmen. Zu dieser Binsenweisheit, die, wie Erfahrungen lehren, offenbar immer wieder ausgesprochen werden muß, bringt Bild 10.3-32 eine Darstellung aus amerikanischen Empfehlungen. Diese Dinge sind offenbar so ernst zu nehmen, daß die Federal Housing Administration der Frage der Oberflächenentwässerung in den Einfamilienhaussiedlungen der suburbs besondere Aufmerksamkeit widmet [187]. In Bild 10.3-33 sind drei Fälle von Geländeneigungen im Schnitt wiedergegeben, und es ist hierzu angedeutet, wie man die Grundstücke im Hinblick auf die Oberflächenentwässerung zu regulieren hat, „um Feuchtigkeitsschäden am Haus, Dunstbildungen, Erosionen, Verschlammung der Höfe und Überflutung von Kleinkläranlagen zu vermeiden“ und nachträglichen teuren Behebungsmaßnahmen, wie Wiederherstellung der Geländeprofilierung und Einlegen von Dränagen, vorzubeugen. Diese Mahnung aus den USA sollte Anlaß sein, generell bei Entwässerungsprojekten in Verbindung mit dem Bebauungsplan Vorsorge für „Überschwemmungswege“ zu treffen, um bei außergewöhnlichen Stark- und Katastrophenregen Schäden zu begrenzen. Pfeiff hat dieses Problem in [430, 431] behandelt. Es spielt auch bei Rechtstreitigkeiten um Schadenersatz eine Rolle, nämlich bei der Frage nach der Abgrenzung zwischen „hoherer Gewalt“ und „Versäumnis“.

2 Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen [2]

  • „Die europäische Norm DIN EN 752-2 geht von der Überflutungshäufigkeit als Nachweiskriterium für Überlastungszustände aus (vgl. Kap. 5.1). Der Überflutungsvorgang auf der Oberfläche und der Überflutungsschutz sind in hohem Maße von lokalen Verhältnissen abhängig und bedürfen deshalb einer Würdigung der Gegebenheiten in der Örtlichkeit. Die Möglichkeit und Gefahr einer Überflutung im Falle einer Überstauung der Kanalisation ist auch im Fall einer einfachen Bemessung nach Kap. 6.1.1 bzw. im Anschluß an die hydraulische Nachrechnung vor Ort zu prüfen. Wegen der Schwierigkeiten, den oberflächigen Überflutungsvorgang modelltechnisch nachzubilden, ist für Bereiche mit rechnerischem Überstau unbedingt eine Bewertung der Gegebenheiten vor Ort vorzunehmen. Ggf. sind vorliegende Aufzeichnungen zum bisherigen Systemverhalten auszuwerten (Feuerwehreinsätze o.ä.).
  • Nachweisrechnungen sollten für Netzpunkte mit Überstau über Gelände das Volumen des ausgetretenen bzw. nicht abgeleiteten Misch- oder Regenwassers sowie die Dauer des rechnerischen Überstaus ausweisen, um die Gefahr einer Überflutung angrenzender Grundstücke oder einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung wichtiger Verkehrsanlagen (Unterführungen) besser bewerten zu können. Ist eine Überflutung angrenzender Grundstücke aufgrund der topographischen und sonstigen örtlichen Gegebenheiten zu befürchten, sind geeignete (konstruktive) Maßnahmen am Straßenverlauf umzusetzen oder die Ableitung des überschüssigen (Ab-)Wassers in ungefährdete Flächen zu prüfen. Sofern dieses an der Straßenoberfläche abgeleitet oder gespeichert wird, ist der Höhenverlauf der Straße in die Prüfung mit einzubeziehen und das schadlose Ableiten ggf. durch bauliche Maßnahmen sicherzustellen.“

 

Siehe auch: Überflutung, Rückstau

Literatur

[1] Abwassertechnische Vereinigung e. V.
Richtlinien für die hydraulische Berechnung von Schmutz-, Regen- und Mischwasserkanälen
1984, 5. Auflage (unveränderter Text von 1977), ATV-A 118

[2] ATV-A 118
Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen
(Punkt 6.3)
Abwassertechnische Vereinigung e. V., 1999 und 2006

[3] ATV-Handbuch
Bau und Betrieb der Kanalisation
Ernst & Sohn Verlag, 4. Auflage 1995

[4] ATV-Handbuch
Planung der Kanalisation
Ernst & Sohn Verlag, 4. Auflage 1994

[5] Federal Housing Administration: Land Planning.
Bulletin Nr. 3. Abschnitt Block and Lot Grading,
Washington D.C. (1954/8)
aus [4]

Siehe auch:

Rückstau

Ausgewählte Referenzen über Gutachten der Bewertung von Überflutungsschäden (Gutachten von U. Halbach, z.T. auch interdisziplinäre Zuarbeit und Mitwirkung)

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