Zum Nachdenken über das Konkrete eine kleine Sammlung von ausgewählten Vordenkern

Michel de Montaigne (1533 – 1592)

  • Was haben unsere Gesetzgeber dadurch gewonnen, daß sie hunderttausend Arten von besonderen Tatsachen ausgewählt und darauf hunderttausend Gesetze gemacht haben? Die Zahl hat nicht das geringste Verhältnis mit der verschiedenen Unendlichkeit menschlicher Handlungen. Die Vervielfältigung unserer (darauf bezüglichen) Erfindungen wird niemals an der Verschiedenheit der Beispiele reichen.
  • Jedes Ding hat hundert Glieder und hundert Gesichter.

und vor gut 400 Jahren (!) über die „guten“ abstrakten Ziele der EU-WRL:

Das menschliche Denken wird sinnlos, wenn es kein bestimmtes Ziel hat.

Nicolás Gómez Dávila:

  • Experten kann es nur für zweitrangige Angelegenheiten geben. Das Wichtige läßt sich niemals auf Normen zurückführen; es bleibt Wagnis des Verstandes.
  • Nichts beunruhigt den Verstand so sehr wie der Versuch, unserer abstrakten Vorstellungen von der Materie mit unserer konkreten geistigen Erfahrung zu verbinden.
  • Da Erklären Definieren bedeutet, wirkt die Erkenntnis dort nicht erläuternd, wo Individualität ihr Gegenstand ist.
  • Nichts Authentisches lässt sich mit Argumenten beglaubigen.
  • Für den, der es beobachtet hat das Ereignis soviele Bedeutungen wie es Zusammenhänge hat.
  • Verallgemeinerungen erweitern unsere Macht und verarmen unseren Geist.
    Anmerkung: Das ist der Grund warum die Umweltindustrie und die viele Gewässerverwaltungen so an den Regeln und abstrakten Gefahren „kleben“  Nicht umsonst hat das Buch von Nicolás Gómez Dávila „Das Leben ist die Guillotine der Wahrheiten“ den Untertitel: „Ausgewählte Sprengsätze“.  U.H.
  • Die Theorie irrt, wenn sie die Realität auf Kategorien beschränkt, die ihre Manipulation erlauben. Die Praxis irrt, wenn sie so vorgeht, als ob die Theorie nicht irrte.
  • Der Autor, der das Konkrete klar zu sehen vermag, bewegt sich unverletzt zwischen idiotischen Ideen.
  • Die ungenauen Begriffe, die eine talentierter Autor mit Geschick handhabt, blenden den Nachahmer, der sie am Ende mit vulgarisierter Rhetorik darstellt.
  • Abstrakte Wahrheiten nennen wir die trockenen Flußbetten, durch die das Wasser irgendeines Wolkenbruches fließt.
  • Von einer Regel pflegen mir nur die Ausnahmen gültig zu sein.

Und kontra Regelwerke, Normen, „bio“. „öko“, „gut“, „böse“ und „ökologische Zustände“

Weder in der Natur der Welt noch in der menschlichen Natur gibt es Spuren von Normen. Die Normen entstehen durch Einmischung des Willens. Eines der Wahrnehmung des Wertes unterworfenen Willens.

Arthur Schopenhauer

  • „Eben weil Worte bloße Allgemeinbegriffe, welche von den anschaulichen Vorstellungen durchaus verschieden sind, mitteilen, werden z.B. bei der Erzählung einer Begebenheit, zwar alle Zuhörer die selben Begriffe erhalten; allein wenn sie nachher sich den Vorgang veranschaulichen wollen, wird jeder ein anderes  Bild  davon in seiner Phantasie entwerfen, welches von dem richtigen, das allein der Augenzeuge hat, bedeutend abweicht. Hierin liegt der nächste Grund (zu welchem sich aber noch andere gesellen) warum jede Tatsache durch Weitererzählen notwendig entstellt wird: nämlich der zweite Erzähler teilt Begriffe mit, die er aus  seinem  Phantasiebilde abstrahiert hat und aus denen der Dritte sich wieder ein anderes noch abweichenderes Bild entwirft, welches er nun wieder in Begriffe umsetzt, und so geht es immer weiter. Wer trocken genug ist, bei den ihm mitgeteilten Begriffen stehn zu bleiben und diese weiter zu geben, wird der treueste Berichterstatter sein.“
  • „Das Wissen, die abstrakte Erkenntnis, hat ihren größten Wert in der Mittelbarkeit: erst hierdurch wird sie für das Praktische so unschätzbar wichtig.“
  • Daß Bücher nicht die Erfahrung und Gelehrsamkeit nicht das Genie ersetzt, sind zwei verwandte Phänomene: Ihr gemeinsamer Grund ist, daß das Abstrakte nie das Anschauliche ersetzen kann.
  • Intuitiv nämlich oder in concreto ist sich eigentlich jeder Mensch aller philosophischen Wahrheiten bewußt: Sie aber in sein abstraktes Wissen, in die Reflexion zu bringen, ist das Geschäft des Philosophen, der weiter nichts soll noch kann.

Schopenhauer, A.: Die Welt als Wille und Vorstellung, Dritte, verbesserte und beträchtlich erweiterte Auflage, Voltmedia, Paderborn

Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (1821 – 1881)

Der Mensch besitzt eine solche Leidenschaft für Systematik und abstrakte Folgerungen, daß er es fertigbringt, bewußt die Wahrheit zu verdrehen und mit sehenden Augen nicht zu sehen und mit hörenden Ohren nicht zu hören.

Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz

  • Klarheit in den Worten, Brauchbarkeit in den Sachen.
  • Auf der Unterscheidung unserer Vorstellungen beruht das Bewußtsein. Wenn Vorstellungen zu schwach oder mit anderen zu eng verbunden sind, um für sich hervorzutreten, so sind sie zwar in uns, aber sie kommen uns nicht zum Bewußtsein.
  • Das Vermögen, welches die Verbindung der Wahrheiten untereinander einsieht, heißt im eigentlichen Sinne die Vernunft.

Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz (1646 – 1716)
bedeutender deutscher Mathematiker, Physiker, Philosoph
Sprachwissenschaftler und Historiker

Johann Wolfgang von Goethe

  • Alles Abstrakte wird durch Anwendung dem Menschenverstand genähert, und so gelangt der Menschenverstand durch Handeln und Beobachten zur Abstraktion.
  • Man tut nicht wohl, sich allzulange im Abstrakten aufzuhalten. Das Esoterische schadet nur, indem es exoterisch zu werden trachtet. Leben wird am besten durchs Lebendige belehrt.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), deutscher Dichter der Klassik, Naturwissenschaftler und Staatsmann

Søren Aabye Kierkegaard

Das Ethische ist als solches immer abstrakt.

Søren Aabye Kierkegaard (1813 – 1855), dänischer Philosoph, Theologe und Schriftsteller

Adolf Diesterweg

Adolf Diesterweg ein deutscher Schulreformer (1790 – 1866) stimmt mit Schopenhauer darin überein, dass Erkenntnis durch die Definition des Konkreten aus dem Abstrakten nicht gewinnbar ist:

Alles klare und sichere Erkennen der Jugend geht nur aus Anschauungen hervor, sowohl das Erkennen äußerer Dinge, als das Erkennen innerer Zustände des Geistes selbst. – Gehe vom Äußerlichen aus und schreite von da aus zum Begrifflichen fort, vom Einzelnen zum Allgemeinen, vom Konkreten zum Abstrakten, nicht umgekehrt.“

Und abschließend eine Anregung: Denken Sie darüber nach, was Schopenhauer vorgedacht hat!

„Der Verstand ist keine extensive, sondern einen intensive Größe: daher kann hierin einer es getrost gegen zehntausend aufnehmen und gibt eine Versammlung von tausend Dummköpfen noch keinen gescheuten Mann.

Was den leidigen Alltagsköpfen, von denen die Welt vollgepfropft ist, eigentlich abgeht, sind zwei naheverwandte Fähigkeiten, nämlich die, zu urteilen, und die, eigene Gedanken zu haben.

Dem schwachen Kopf ist das Denken so unerträglich wie dem schwachen Arm das Heben einer Last: daher beide eilen niederzusetzen.

Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht ein. Manche Irrtümer halten wir unser Leben hindurch fest und hüten uns, jemals ihren Grund zu prüfen, bloß aus einer uns selber unbewußten Furcht, die Entdeckung machen zu können, daß wir so lange und so oft das Falsche geglaubt und behauptet haben. — So wird denn täglich unser Intellekt durch die Gaukeleien der Neigung betört und bestochen.

Die Wahrheit ist: wir sollen elend sein und sind’s.

Die gewöhnlichen Flachköpfe sind nicht einmal rechter Freude fähig: sie leben in Dumpfheit dahin.

Demgemäß wird man im ganzen finden, dass jeder in dem Maße gesellig ist, wie er geistig arm und überhaupt gemein ist. Denn man hat in der Welt nicht viel mehr als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.

Es ist nämlich eine triviale und nur zu häufig bestätigte Wahrheit, daß wir oft törichter sind, als wir glauben: hingegen ist, daß wir oft weiser sind, als wir selbst vermeinen, eine Entdeckung, welche nur die, so in dem Fall gewesen, und selbst dann erst spät machen.  “

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