Ein guter wasserchemischer Zustand ist für sich allein gesehen ein recht einfältiges Ziel. Trotzdem ist er aber bei vielen wasserbehördlichen Entscheidungen immer noch das Maß aller Dinge bzw. das k.o.-Kriterium für vernünftige und verhältnismäßige Alternativen.
Im Falle einer geplanten oder aktuellen Überwachungswertverschärfung wäre aus wasserwirtschaftlicher Sicht vor einer kompromisslosen wasserchemischen Zieldefinition ein Nachweis der Verhältnismäßigkeit lt. WRRL, Artikel 4, 3b notwendig:
Nachweis, dass sinnvollerweise durch andere Mittel keine wesentlich bessere Umweltoption zu erreichen ist, als durch die Verschärfung wasserchemischer Mindestanforderungen.
Diese notwendige Anforderung folgt aus dem Prinzip der Sparsamkeit, zu dessen Einhaltung normalerweise auch (nicht nur) die Unteren Wasserbehörden verpflichtet sind oder sein sollten:
Inhaltsverzeichnis
Verschärfung von Überwachungswerten und wasserchemischer Zustand
Ein „guter wasserchemischer Zustand“ erfordert nach manchen behördlichen Vorstellungen oft die Verschärfung von Überwachungswerten und hat immer ganz erhebliche zusätzliche einmalige und/oder laufende Aufwendungen für Unternehmen und Kommunen zur Folge.
Notwendig ist also ein Nachweis, dass diese zusätzlichen Aufwendungen auch tatsächlich erforderlich sind und dass zudem das Erreichen vorher bestimmter konkreter Gewässerschutzziele garantiert wird.
Diese Ansprüche sind in der wasser- bzw. fachbehördlichen Praxis eher eine Ausnahme. Die Folge sind erhebliche Effektivitätsverluste bei der Abwasserbeseitigung und beim Gewässerschutz, verursacht durch ein Übermaß bei der Gewässerverwaltung.
Grundlegende einfachste Zusammenhänge zwischen dem Aufwand und dem Wirkungsgrad (z. B. Geschwindigkeit eines Autos und dessen Benzinverbrauch) einer technischen Anlage sind der Gewässerverwaltung offensichtlich unbekannt. Dabei zählen diese Zusammenhänge zur Allgemeinbildung. Unter Mathematikern und Betriebswirtschaftlern sind diese Zusammenhänge durch das Pareto-Prinzip definiert:
Es ist möglich, dass mit 20 % Kosteneinsatz 80 % aller Gewässerprobleme gelöst werden können. Für die Lösung der restlichen 20 % der Gewässerprobleme ist mit weiteren 80 % Kosten zu rechnen.
Das heißt, die verbreiteten Anstrengungen zur ständigen „Verbesserung“ des Gewässerschutzes („guter wasserchemischer Zustand“) durch Verschärfung der Überwachungswerte – auch infolge der teils kontraproduktiven Forderung der Abwasserreinigung nach dem Stand der Technik – hat eine Kostenexplosion in Form einer Potenzfunktion zur Folge (Pareto-Verteilung).
Mangelhafte oder fehlende Effektivität
Auf den Verstoß gegen wasserwirtschaftliche Prinzipien (z. B. Missachtung notwendiger Effektivität) hat beispielsweise der Wiener Prof. Herr Kroiss schon mehrfach in seinen interessanten Vorträgen hingewiesen.
Die weit verbreitete abstrakte Formulierung von Gewässerschutzzielen („guter wasserchemischer Zustand“) im Rahmen zur Begründung von Verschärfungen der Überwachungswerte ist also unwissenschaftlich, ideologisch determiniert, beliebig und aus all diesen Gründen mit wasserwirtschaftlichen Ansprüchen nicht bewertbar. Zudem steht eine derartige Praxis im Widerspruch zu Regelungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie und zu zahlreichen anderen gesetzlichen Regelungen (z. B. Gemeindeordnung).
Mit abstrakten Gewässerschutzzielen wird das Sparsamkeitsprinzip willkürlich ausgehebelt.
Willkürlich deshalb, weil die sachliche Begründung fehlt. Voraussetzung für eine sachliche Begründung ist, dass sie auf konkreten Prämissen beruht. Gewässerschutzziele werden aber oft abstrakt formuliert (gutes Tun). Damit sind sie beliebig interpretierbar und entziehen sich einer konkreten Effizienzprüfung, die aber gesetzliche Vorschrift ist. Eine wissenschaftliche Kontrolle nach ökologischen Prinzipien wird damit vereitelt und die Katze beißt sich in den eigenen Schwanz. Ein raffiniertes System.
Wissenschaftliche und sachliche oder politische und willkürliche Ökologie; das ist die Frage!
Bei der Ökologie ist mittlerweile zwischen der wissenschaftlichen und der politischen Ökologie zu unterscheiden. Die politische Ökologie ist als Weltanschauung abstrakt und hat beliebig „Gutes“ zum Ziel, wohingegen die wissenschaftliche Ökologie wertfrei und naturwissenschaftlich nachvollziehbar ist.
In der wissenschaftlichen Ökologie gibt es dagegen keine abstrakten guten Zustände, sondern die Zustände sind für konkrete Organismen in einem konkreten Ökosystem definiert. Daraus folgt das scheinbare Paradoxon, dass z. B. Fische im sauberen Wasser verhungern (sehr guter wasserchemischer Zustand!) und dass in Gewässern mit einer weniger guten wasserchemischen Qualität Artenvielfalt und Fischreichtum herrscht.
Da beide Ökologieformen (politische weltanschauliche Ökologie als Mutation zwischen Ideologie sowie Kommerz und wissenschaftliche Ökologie) nebeneinander existieren, ist es für den Laien fast unmöglich einen klaren Kopf zu behalten. Allerdings gibt es für ihn ein Indiz zur Unterscheidung: Immer wenn abstrakt geschwafelt wird, handelt es sich wahrscheinlich um Ökologismus oder um Ideologie, denn die Wahrheit braucht keine umständlichen Erklärungen. Weitere Indizien sind je nach Charakter und Bildung Ausreden, Verlegenheit oder Aggressivität der Disputanten, wenn sie nach konkreten Argumenten befragt werden.
Die Beliebigkeit des Abstrakten
Diese Beliebigkeit des Abstrakten wird höchstbequem für nicht wasserwirtschaftliche Geschäfte in vielfältiger Weise ausgenutzt.
Wurden Überwachungswerte erst einmal verschärft, dann wird in der Regel nicht mehr geprüft, ob diese Verschärfung noch oder überhaupt notwendig ist oder war. Damit entstehen dem Abwasserbeseitigungspflichtigen Schäden in Millionenhöhe.
Solange aber die Abwasserbeseitigungspflichtigen die Folgen unnötiger Verschärfungen erdulden, müssen sie auch mit den unnötigen einmaligen und/oder laufenden zusätzlichen Aufwendungen leben und haben damit entsprechend zusätzliche Abwasserbeseitigungskosten im Produktpreis zu kalkulieren oder über die Bürger zu refinanzieren.
Der EU-WRRL kann diese bundesweite Fehlentwicklung nicht in die Schuhe geschoben werden, sondern nur denjenigen, die sie nicht lesen, nicht verstehen, die kommerzielle oder ideologische Interessen verfolgen oder denen wasserwirtschaftliches Verständnis überhaupt fremd ist. Erstaunlich sind die Fehlentwicklungen nicht. Denn vielleicht 99,9 % aller Ingenieure beschäftigen sich mit der Umsetzung der Mindestanforderungen oder deren Verschärfung und vielleicht ein oder zwei Ökologen dürfen nachsehen, ob die Zielvorstellungen erreicht werden oder erreicht wurden.
Wer aber als Ökologe nach dem Sinn des Abstrakten sucht, sollte – da wir nicht bei den Indianern sind (die wohl Erfahrungen ihrer Alten noch achteten) – kurz vor seiner Pensionierung stehen.
Tja, und fast schließlich:
Wasserrahmenrichtlinie Artikel 4, 3b und wasserchemischer Zustand
„(3) Die Mitgliedstaaten können einen Oberflächenwasserkörper als künstlich oder erheblich verändert einstufen, wenn a) die zum Erreichen eines guten ökologischen Zustandes erforderlichen Änderungen der hydromorphologischen Merkmale dieses Körpers signifikante negative Auswirkungen hätten auf:
i) die Umwelt im weiteren Sinne,
ii) die Schifffahrt, einschließlich Hafenanlagen, oder die Freizeitnutzung,
iii) die Tätigkeiten, zu deren Zweck das Wasser gespeichert wird, wie Trinkwasserversorgung, Stromerzeugung oder Bewässerung,
iv) die Wasserregulierung, den Schutz vor Überflutungen, die Landentwässerung, oder
v) andere ebenso wichtige nachhaltige Entwicklungstätigkeiten des Menschen,
b) die nutzbringenden Ziele, denen die künstlichen oder veränderten Merkmale des Wasserkörpers dienen, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht in sinnvoller Weise durch andere Mittel erreicht werden können, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen.“
Das Einfache kann das Geniale sein
Das heißt, ein zu hoher Ammonium- oder Phosphorgehalt kann z. B. durch Beschattung kompensiert werden.
Das Pflanzen von Schwarzerlen kann (und ist in vielen Fällen) wertvoller und kostengünstiger sein, als Denitrifikationsstufen oder Flockungsfiltrationen zu betreiben.
Zu hoffen bleibt, dass die Beachtung der Grundlagen der wissenschaftlichen Ökologie irgendwann doch noch zur Handlungsgrundlage jener wird, die meinen, sie arbeiten für die Wasserwirtschaft.
Und um mit Herrn Prof. Kroiss zu schließen:
„Das kostbarste Gut der Länder mit hohem Standard der Wassergütewirtschaft ist daher nicht das Wasser, weil wir das aus wirtschaftlichen Gründen höchstens 100 bis 200 km transportieren können, sondern das angesammelte Wissen und vor allem die Fähigkeit zur Zusammenarbeit aller betroffenen Akteure. Der Wettbewerb um eine dauernde Verbesserung der Lösungen muss und darf darunter nicht leiden.“
(Beitrag wasserchemischer Zustand von 2012, überarbeitet am 11.01.2017)
Wer hat Lust, bei mir – privat den CSB -Wert zu messen? Klein-Kläranlage, 3- Kammer- System; 6,1 m³, Wert im Mai 2018 war 160 mg/ L und bei Nachuntersuchung im Dez .2018 179 mg/ L; Also nicht sehr viel, aber eben zu weit über dem Grenzwert ! Bin dankbar für Tipps:
Fragen: 1) Kompressor- am CO2- Sensor vorbei – öfters laufen lassen ? 2) Mehr Wasser beim Spülen im Klo verwenden ? Raum Kempten – Memmingen; Tel 0176 7 8181 874 Herzl. Gruß !
Vielen Dank! Nun, ich denke schon, dass der Beitrag eine äußerst differenzierte Darstellung eines Widerspruches zwischen Vorstellung und Realität enthält.
Einer tatsächlichen gesetzlichen Vorschrift zur Verhältnismäßigkeit der Mittel wird ein widersprüchlicher konkreter Fall, eine Tatsache gegenübergestellt.
Der Widerspruch wird an einem konkreten Falle aufgezeigt. Sogar mit Bild und ich habe es selbst erlebt:
„Wie will man in dieser Landschaft eine Verschärfung der Überwachungswerte nachvollziehbar begründen? Gülle bis an das Ufer des Meliorationsgrabens („Gewässer“)! Keine Beschattung, aber die Kommune soll einen wasserchemisch guten Zustand garantieren. Die Frachten der Landwirtschaft werden nicht berücksichtigt, denn es geht juristisch feinsinnig nur um „unerlaubte“ Gewässerverschmutzung. Die Gewässerverschmutzung durch Gülle ist ausdrücklich gesetzlich erlaubt! Bei der Verschärfung der Überwachungswerte CSB, BSB, N, P fällt es oft sehr schwer, Indizien für ökologische Kompetenz in den wasserrechtlichen Begründungen zu entdecken.“
Das war der Ausgangspunkt und nichts anderes!
Also trifft Ihr Vorhalt einer undifferenzierten Darstellung nicht zu.
Im Übrigen könnte ich wenigstens 10 solcher Beispiele beweisen und darstellen. Es würde dem Leser grausen. Allein die Zeitnot hindert mich an dem fraglichen Vergnügen.
Insofern sie auf Kosteneffizienz zurückgreifen ist dies bei der kommunalen Wasserwirtschaft der Quotient zwischen nicht monetärem Nutzen und den dafür notwendigen Kosten. Und das Sparsamkeitsprinzip und die Effizienz sind in gesetzlichen Vorschriften geregelt für den Staat, für die Verwaltung, und für die Kommunen. Wenn darüber diskutiert werden soll, dann ist diese Seite der falsche Platz.
Die Auffassung: „Auch das aufeinander zeigen mit Schuldzuweisung ist hier wenig hilfreich.“ ist nicht nachvollziehbar. Soll denn nicht Jener kritisiert werden dürfen, der nachweislich das Geld fremder Leute nicht sparsam oder effizient verwaltet?
Und insofern Sie mit den Bewertungen der Autorität nicht einverstanden sind… Dann haben sie ihn möglicher Weise deshalb nicht verstanden, weil der Link zu dem Artikel verloren ging. Ich habe diesen erneuert:
Perspektiven der Wassergütewirtschaft 2050 – gesicherte Grundlagen, ungewisse Zukunft
Ihr Urteil „Wasser ist und bleibt unser höchstes (materielles) Gut und das wichtigste Werkzeug, das wir nutzen können und eigentlich müssen, ist das Wissen wie wir es am besten schützen können.“ Ist unvollständig. Jenes vom Herrn Professor dagegen trefflicher:
„Das kostbarste Gut der Länder mit hohem Standard der Wassergütewirtschaft ist daher nicht das Wasser, weil wir das aus wirtschaftlichen Gründen höchstens 100 bis 200 km transportieren können, sondern das angesammelte Wissen und vor allem die Fähigkeit zur Zusammenarbeit aller betroffenen Akteure. Der Wettbewerb um eine dauernde Verbesserung der Lösungen muss und darf darunter nicht leiden.“
Er sagt nichts weiter als: Was nützen alle Anstrengungen zum Schutz des Wassers, wenn die Anstrengung das Wasser am Ende selbst verschmutzen oder die Natur belasten?
Und nicht nur ich sage in aller Bescheidenheit: Was nützen verschärfte Überwachungswerte, wenn am Ende die Gülle die kommunalen Anstrengungen entwertet?
Oder wenn das Hyporheal durch Bodeneinträge von den Feldern bei Starkregen abgetötet wird?
Oder was nützt die Nährstoffeliminierung, wenn am Ende die Fischereiträge zurückgehen weil die Fische des Hungers sterben und die Natur einfältiger wird?
Übrigens, ich kenne viel Mitarbeiter in den Behörden die diese Auffassung in meinem Beitrag leise teilen. Der Gesetzgeber hat ihnen verboten, den einfältigen Pfad der gesetzlichen Regelungen zu verlassen, auch dann nicht wenn es offenkundig vernünftig wäre. Und all dies, wo doch die Natur so unglaublich vielfältig ist.
Leider sehr undifferenzierte Darstellung eines Problems, das uns alle angeht. Das Prinzip der „Sparsamkeit“ über Anforderungen des Umweltschutzes, die uns langfristig allen zu Gute kommt, zu stellen erscheint hier nicht angebracht. Gefordert wäre hier das Prinzip der Kosteneffizienz, bei der der Nutzen der Maßnahme den Kosten gegenübergestellt wird. Auch das aufeinander zeigen mit Schuldzuweisung ist hier wenig hilfreich. Natürlich müssen die Verursacher der Gewässerverschmutzung alle ihren Beitrag zur Verbesserung leisten. Zu Guter Letzt: wenn dieses abschließende Zitat wirklich so von dem Herrn Professor ausgesprochen oder sogar niedergeschrieben wurde, dann wünsche ich mir, dass er nochmal darüber nachdenkt. Wasser ist und bliebt unser höchstes (materielles) Gut und das wichtigste Werkzeug, das wir nutzen können und eigentlich müssen, ist das Wissen wie wir es am besten schützen können.