Aquatische Ökosysteme werden nach der EU-Wasserrahmrichtlinie mit moralistischen Wertbegriffen (z. B. gut, schlecht) bewertet. Zugehörige Grenzwertfestlegungen zur Erreichung oder Vermeidung bestimmter Zustände beruhen auf dieser Grundlage. 

Derartige Grenzwerte sind politische Grenzwerte, die gegen wissenschaftliche Bewertungen sehr widerstandsfähig sind. Anders kann es sein, wenn der gesunde Menschenverstand als Bewertungsmittel zugelassen wird. Siehe hierzu:

Das Problem besteht nun darin, dass die wissenschaftliche Ökologie „Gute“ Zustände nicht kennt und für eine sachliche Bestimmung und Bewertung moralistischer Zustandsziele nichts beitragen kann. Das ist auch seit Jahren in zahlreichen ökologischen Beiträgen nachlesbar, z. B. Lampert.

Der Ökologe REICHHOLF [8] notiert über Konsequenzen und Kollateralschäden moralistischer Zustandsbewertungen in Ökosystemen: 

„Unberücksichtigt bleiben der Zusammenhang zwischen Stabilität und Mangel, der größere Änderungen einfach verhindert, und die tatsächlichen Ungleichgewichte in der Natur, ohne die sie gar nicht funktionieren könnte. Zwei Beispiele sollen verdeutlichen, daß es ausgerechnet die »balancierten« mittleren Zustände sind, die zwar als solche wünschenswert wären, sich aber nicht so recht einstellen lassen. Das erste Beispiel liefert die Belastung und Reinhaltung von Seen. Eingeleitete Abwässer düngten seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten, bis die Folgen sichtbar wurden. Die anfänglich sauberen Gewässer drohten zu »kippen«, was bedeuten sollte, daß sie vom nährstoffarmen, sauberen Zustand in einen nährstoffreichen, schmutzigen hinüberwechselten oder daß dieser Wechsel bevorstand. Durch Ringkanalisationen und starke Verminderung der Abwässerzufuhr ließ sich dieses Kippen in zahlreichen Fällen verhindern. Die Seen wurden wieder sauberer, aber nun nahmen auch die Fischerträge (stark) ab. Denn nährstoffarme Seen sind unproduktiv, weil in ihnen Mangel an Nährstoffen herrscht. Das ist gut für die Gewinnung von Trinkwasser aus dem See sowie für den Bade- und Erholungsbetrieb, nicht aber für die Fischerei und für die (zu schützenden) Wasservögel, für die bedrohten Muscheln, Libellen, Krebse und anderes Wassergetier. All diesen geht es im nährstoffreichen See weitaus besser. Fische gibt es in Hülle und Fülle; Wasservögel auch und diese ohne nennenswerte Konflikte mit der Fischerei zu verursachen. Beide Zustände kann der See nicht gleichzeitig einnehmen. Er ist entweder nährstoffarm (oligotroph) und unproduktiv oder nährstoffreich (eutroph) und produktiv. Entweder — oder? Dazwischen liegt doch der mittlere Zustand, mesotroph genannt. Er verbindet gute Produktivität mit sauberem Wasser, weil im Idealfall all das wieder um- und abgebaut wird, was im Sommer produziert worden ist. Doch dieser Mittelzustand erweist sich als instabil. Er geht rasch in den einen oder in den anderen über. Nur mit außerordentlich (und unrealistisch) hohem Aufwand ließe er sich aufrechterhalten. Stabile Zustände sind Nährstoffreichtum und -armut. Ist so ein See ein Sonderfall? Durchaus nicht. Nährstoffreiche und nährstoffarme Zustände sortieren sich allüberall in der Natur.“ 

 Vergleiche dazu auch den Aufsatz des Ökologen STEINBERG [5] über die Mistbienenpolemik:

Grundlage der politischen Ökologie bei der Beurteilung der Gewässer sind u. a. folgende Dogmen:

  • Viel (Aufwand) hilft viel (Nutzen).“ Der Effekt spielt keine Rolle.
  • Nährstoffe werden zu Schadstoffen „umetikettiert“.
  • Analysenergebnisse, die inkohärent zur Natur sind, werden trotzdem auf die Natur übertragen, um Wirkungen zu behaupten oder zu suggerieren, die nicht da sind. So wird aus Effekten im Labor eine Schadstofffiktion von zentraler Bedeutung „konstruiert“ HALBACH [4].  (CSB auch chemischer Sauerstoffbedarf genannt, obwohl es ein Verbrauch ist, der nur unter Laborbedingungen entstehen kann.)
  • Es herrscht eine große Beliebigkeit bei der Übersetzung (Umdeutung) der wissenschaftlichen Ökologie in eine politische Ökologie. 

Kein Effizienzbeweis wasserwirtschaftlicher Maßnahmen!

Ein Widerspruch bei der Nutzung politisch determinierter Gernzwerte besteht in der Unmöglichkeit eines Effizienzbeweises wasserwirtschaftlicher Maßnahmen, wenn diese mit moralistischen Zielen begründet werden.

Weiterführende Hinweise unter 

Das Verschlechterungsverbot:

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Depenheuer, O.:  Politik durch Zahlen, oder: Die Diktatur der Grenzwerte, Das Phänomen politischer Herrschaft durch technische Normen als Herausforderung des Rechts,  Trierer Wasserwirtschaftsrechtstag 2019 – Band 7: Der Grenzwert im Wasserrecht, Carl Heymanns Verlag, ISBN 978-3-452-29599-6, Erscheinungstermin 21.04.2020, 1. Auflage 2020

[2] U. Halbach: Verschärfte Überwachungswerte sind nicht plausibel (pdf) 

[3] Aufsätze zur Effizienz wasserwirtschaftlicher Maßnahmen im Archiv des Institutes für Wasserwirtschaft Halbach 

[4] Halbach, U.: CSB – Beweismittel einer Gewässerverschmutzung?

[5] Steinberg, Ch.: Von Mistbienen, Haussperlingen und der EU-Wasserrahmenrichtlinie – eine beabsichtigte Polemik

[6] Stengel, O.: Vorsicht, Denkfehler!: Wie man sie erkennt und vermeidet Taschenbuch – 26. September 2005

[7] Gärtner, E. L.: Öko-Nihilismus: Eine Kritik der Politischen Ökologie, TvR Medienverlag 2007

[8] Reichholf, J. H.: Stabile Ungleichgewichte. Die Ökologie der Zukunft. edition unseld SV, 1. Auflage 2008

[9] Schopenhauer, A.: Die Welt als Wille und Vorstellung, Dritte, verbesserte und beträchtlich vermehrt Auflage von 1895, Voltmedia GmbH , Paderborn

[10] Lichtenberg Aphorismen: In einer Auswahl (insel taschenbuch), Georg Christoph Lichtenberg, Verlag: Insel, Frankfurt, 1976

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