Zitate aus einer Veröffentlichung von 1997

Halbach, U.: Fragwürdige Stickstoffgrenzwerte, wwt 5/97, Seite 36

Kopie des Artikels als pdf-Datei

Über die Sinnfälligkeit der Denitrifikation bei der Abwasserbehandlung diskutierten am 3. Juni 1997 die Professoren Dr. Lützner und Dr. Uhlmann (Dresden).

Pro…

Herr Prof. Lützner verwies auf die Notwendigkeit der Denitrifikation für einen stabilen Kläranlagenbetrieb und führte u. a. folgende Argumente an:

  • Blähschlammbekämpfung durch anoxische Selektoren und die Notwendigkeit des Milieuwechsels
  • verstärkte pH-Wert-Probleme. insbesondere bei weichen Wässern, wenn nur nitrifiziert wird
  • Nutzung des Nitratsauerstoffs für den BSB5-Abbau und damit wesentliche Senkung des Energiebedarfs für die Abwasserreinigung
  • Vermeidung von Grenzwertüberschreitungen infolge einer wilden Denitrifikation in der Nachklärung.

Des Weiteren wies er darauf hin, dass bei einstufigen Belebungsanlagen die biologische Phosphorelimination ohne zusätzliche Maßnahmen nicht möglich ist. Auch wirkt Nitrat störend im Faulbehälter. Schließlich sei aus praktischer Sicht festzustellen, dass die in jüngster Zeit gebauten Kläranlagen bis 20.000 EW im Regelfall über eine simultane aerobe Schlammstabilisierung verfügen und durch alternierende Belüftung die geschilderten negativen Betriebsauswirkungen vermindert werden.

Wenn Biologen der Meinung sind, dass für die Gewässer Nitrat keine Belastung darstellt, dann sollte auch auf die Festsetzung von Überwachungswerten verzichtet werden und die Denitrifikation nur soweit erfolgen, wie sie für den Betrieb der Kläranlage notwendig ist. Fragwürdig wird es, wenn nur zur Einhaltung der Überwachungswerte externe Kohlenstoffquellen (vorzugsweise auch Ethanol und Methanol) zugegeben werden müssen, wie es bereits jetzt in vielen Kläranlagen praktiziert wird.

Während das Fachgebiet von Herrn Prof. Lützner die Abwasserbehandlung ist, hat sich Herr Prof. Uhlmann (Verfasser des Standardwerkes „Hydrobiologie“) darauf spezialisiert, die Probleme zu analysieren, die nach der Abwasserbehandlung im Gewässer zu beobachten sind.

…und kontra

In seinen Ausführungen stellte Herr Prof. Uhlmann die von Herrn Prof. Lützner angeführte Notwendigkeit einer Denitrifikation für die Stabilität des Reinigungsprozesses in Kläranlagen nicht in Frage. Er wies jedoch nachdrücklich auf sehr gut gesicherte Forschungsergebnisse hin, die belegen, dass Nitrat auch als Sauerstoffspender für das Gewässer eine wichtige Rolle spielt.

Wozu ist nun Sauerstoff im Schlamm erforderlich?   

Herr Prof. Uhlmann erläuterte in anschaulicher Weise. in welchen Fällen Nitrat als Pflanzennährstoff wirkt, aber auch, dass Nitrat besonders wertvoll für die Sauerstoffversorgung von Sedimenten, die Schlammablagerungen in Seen und Meeren, ist.

Der gelöste Sauerstoff wird aufgrund der natürlichen Zehrungsprozesse an der Wasser und Schlammgrenzschicht häufig schnell verbraucht. Allein das Nitrat diffundiert in die tieferen Schlammschichten, so dass dort eine anoxische Nitratatmung ermöglicht wird. Analog, wie dies in der Denitrifikationsstufe der Kläranlage erfolgt.

Eine Sauerstoffversorgung der oberen Schlammschichten verhindert z. B., dass sedimentierte Phosphorverbindungen rückgelöst werden, ähnlich wie dies technisch mit der biologischen P-Eliminierung praktiziert wird. Stickstoff in der Nitratform ist wohl kaum als eutrophierender Faktor zu werten.

An dem Disput beteiligten sich, neben zahlreichen Gästen und Studenten, auch Frau Prof. Röske, Herr Prof. Hackenberger sowie Herr Prof. Benndorf, der die Veranstaltung moderierte.

Verzicht auf Denitrifikation?

Im Resümee verständigten sich die Teilnehmer dazu, dass einerseits eine Denitrifikation für den störungsfreien Kläranlagenbetrieb notwendig ist, andererseits aber Nitrat für die Sauerstoffversorgung der Sedimente in den Gewässern eine sehr wichtige Rolle spielt, und man deshalb nur so weit denitrifizieren sollte, wie es betrieblich erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer gesetzlich vorgeschriebenen und behördlich kontrollierten Denitrifikation in Kläranlagen wurde von den Gesprächsteilnehmern nicht gesehen.

Im Verlaufe wurde weiter diskutiert, dass in Anwendung der Ergebnisse das Tropfkörperverfahren eine Renaissance erleben könnte, weil mit Einführung der neuen Abwasserverordnung seit 1.4.1997 für Kläranlagen ≤ 10.000 EW die Denitrifikation nicht mehr erforderlich ist.

Fazit

Die Signale der Wissenschaftler der TU Dresden und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften sind hochinteressant und werden hoffentlich bald in den Wassergesetzen vergegenständlicht.

Sollten sich in der Gesetzgebung einschließlich dem EU-Wasserrecht, bei den Ingenieuren und Behörden diese Erkenntnisse durchsetzen, könnte sich in der Abwasserbehandlung und Gewässerpolitik das Reglement vereinfachen.

Einen kleinen Wermutstropfen wird es aber geben, denn die Deutschen sind reaktionsträge in der politisch-administrativen Umsetzung zweckmäßiger Dinge; und so wird man sich wohl noch einige Zeit gedulden müssen, bis an der richtigen Stelle gespart werden kann.

Die TU Dresden ist eine gute Adresse, wenn es gilt, neue Wege zu beschreiten.

Weiterführende Literatur

https://www.institut-halbach.de/kat/ueberwachungswerte/

Zum Beitragsbild: Die gebänderte Prachtlibelle!

Dieses Tierchen ist mir im Rahmen der Begehung eines Baches aufgefallen.

Dieser Bach soll angeblich durch eine kommunale Kläranlage übermäßig verschmutzt sein, was ich aber auf Grund der Klarheit des Gewässers und der augenscheinlichen Tiervielfalt bezweifle.

An dem Besuchstag traten diese Prachtlibellen jedenfalls zu Hunderten auf. Ein wirklich prachtvolles Naturschauspiel.

Interessant wäre es zu prüfen, ob es diese Prachtlibellen in der beobachteten Häufigkeit gerade wegen einer gewissen „Abwasserverschmutzung“ gibt.

In Vorflutern der chemischen Gewässergüteklasse I habe ich derartige Insekten nicht beobachten können.

Es handelte sich bei der Abwasserreinigung um eine funktionierende vollbiologische arbeitende Scheibentauchkörperkläranlage, deren Phosphorüberwachungswert nach einem wasserchemischen Dogma behördlich verschärft werden soll.

Wohl ein klassischer Fall einer wasserbehördlichen Fehlbewertung, die sich leider wie zu oft ausschließlich auf primitive wasserchemische Verdünnungsrechnungen stützt und den Blick in die Natur und über den Tellerrand eines Gewässers vermissen lässt oder auch wegen außerordentlicher Befindlichkeiten nicht anders entscheiden darf.

Print Friendly, PDF & Email