Der Kläger klagt erfolgreich gegen die Gemeinde (Beklagte) zur Duldung der Herstellung eines Hausanschlusses auf gemeindlichem Grundstück.

Auszüge aus einem Urteil des LG Gera

Duldung der Herstellung eines Hausanschlusses auf gemeindlichem Grundstück

AZ LG Gera: 4 O 1196/16 

 

in dem Rechtsstreit

1) ***- Klägerin –
2) *** – Kläger –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwältin Annette Steuber, Humboldtstraße 2, 07545 Gera (info@gera-anwaltskanzlei.de

gegen

Gemeinde ***, vertreten durch d. Bürgermeister *** – Beklagter –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ***

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Gera

durch Richterin am Landgericht ***

als Einzelrichterin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2018

für Recht erkannt

  1. Die Beklagte wird verurteilt zu dulden, daß die Kläger auf dem Grundstück der Beklagten, gelegen in der Gemarkung *** an der Ostgrenze des Grundstücks entlang bis zu dem Kontrollschacht im Vorgarten des klägerischen Grundstücks, ***, eine Schmutzwasserentwässerungsleitung zum Zwecke des ordnungsgemäßen Anschlusses ihres Grundstücks an das Kanalnetz des zuständigen Zweckverbands Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung *** in der Straße (B7) in *** herstellen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren von der Beklagten die Duldung der Herstellung einer Abwasserleitung auf ihrem Grundstück zum Zwecke des ordnungsgemäßen Anschlusses des klägerischen Grundstücks an das Kanalnetz in ***.
Die Kläger sind die Eigentümer des Grundstücks ***, gelegen in der Gemarkung ***. Das auf dem Grundstück befindliche Haus ist ein sogenanntes Eckhaus einer Reihe von vier Reihenhäusern in der Eisenberger Straße. Im Keller seines Hauses hat der Kläger ein Büro eingerichtet. Auf die Lichtbilder BI. 72 d.A. wird verwiesen. An das Grundstück der Kläger schließt sich das Grundstück der Beklagten, Gemarkung ***, an. Das Grundstück der Beklagten dient bislang der Zufahrt zum klägerischen Anwesen wie auch zum Haus Nr. ***, das ebenfalls ein Eckhaus einer Reihe von vier Reihenhäusern – gegenüberliegend – ist.
Bereits 2008 hatte der zuständige Zweckverband *** den Klägern eine Anschlußgenehmigung zur Trinkwasserversorgung für ihr Grundstück erteilt. Insoweit wird auf das Schreiben vom 28.08.2008 (K1/BI. 7 d.A.) verwiesen. Die Trinkwasserleitung, die über das Beklagtengrundstück verläuft, versorgt die beiden Hausreihen rechts und links des Beklagtengrundstücks und mündet dann in der Haupttrinkwasserleitung in der *** Straße.
An das streitgegenständliche Grundstück der Beklagten schließt sich ein kleines weiteres Grundstück mit der Flurstücksnummer *** an. Auf diesem Grundstück war bisher die Abwassergrube der beiden Häuserreihen gelegen, in welche die Hausbewohner seit DDR-Zeiten ihr Schmutzwasser einleiteten.
Im Zuge von Straßenbauarbeiten an der *** Straße forderte der Zweckverband *** die Eigentümer beider Häuserreihen auf, ihr Abwasser nach vorn abzuleiten und ihre Grundstücke an den neu zu verlegenden Abwasserkanal in der *** Straße anzubinden. Aufforderungsgemäß schloß der Kläger zu 2) mit dem Zweckverband am 13.06.2013 einen entsprechenden Entsorgungsvertrag. Auf die Anlage K2/BI. 9f d.A. wird Bezug genommen.
Unter anderem im Zuge des Hochwassers und der damit zusammenhängenden Überschwemmungen in mehreren dem Jahr 2013 vorangegangen Jahren sowie im Jahr 2013 drang auch wiederholt Wasser in den Keller des klägerischen Anwesens ein. Die Kläger waren gezwungen, den Keller zu renovieren; des weiteren ergriffen sie im Keller Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Sie investierten über die Jahre insgesamt etwa 60.000,- EUR.
Im Hinblick auf die bereits bestehende Trinkwasserleitung (seit 2008) boten die Kläger der Beklagten zunächst an, dieser das Grundstück („den Weg“) mit der Flurstücksnummer *** abzukaufen, da sie beabsichtigten, in diesem Grundstück die Abwasserleitung zur Anbindung an den Abwasserkanal der Eisenberger Straße verlegen zu lassen. Die Beklagte lehnte den Verkauf ihres Grundstücks an die Kläger ab.
Aus diesem Grund beauftragten die Kläger ihren Prozeßbevollmächtigten mit der Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung. Mit Schreiben vom 02.05.2016 (K3/BI. 11 d.A.) ließen sie der Beklagten mitteilen, daß sie mit der Beklagten gerne eine Vereinbarung darüber schließen würden, die neue Abwasserleitung nicht vor ihrem Haus zu errichten sondern am Haus entlang über das Flurstück der Beklagten mit der Flurstücksnummer *** . Die Kläger erklärten sich dazu bereit, notariell eine Grunddienstbarkeit zu vereinbaren.
Im Zusammenhang mit diesem Vorschlag fand am 31.05.2016 ein Ortstermin statt, an dem neben dem Prozeßvertreter der Kläger der Bürgermeister *** der Beklagten, mehrere Gemeinderäte sowie der Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzende *** teilnahmen. Die Beklagte machte nach Besichtigung der Örtlichkeiten deutlich, daß sie der Meinung sei, daß es wesentlich kostengünstiger wäre, die gesamte Abwasserleitung im Hause der Kläger umzuverlegen, eine Abwasserpumpe zu installieren und das Abwasser nach vorne zur *** Straße hin zu pumpen, anstatt die Leitung über das Gemeindegrundstück zu verlegen. Im Ergebnis des Ortstermins zeigte sich die Beklagte jedoch zunächst insoweit zugänglich, als daß sie zumindest abwarten wollte, bis die Kläger Kostenvoranschläge für die Installation einer Abwasserpumpe und für die Änderung sämtlicher Installationen im Haus vorgelegt hätten.
Die Kläger holten alsdann mehrere Kostenvoranschläge ein:
Die Fa. *** legte unter dem 13.06.2016 ein Angebot zur Errichtung einer Pumpstation nebst entsprechender Montagearbeiten über 13.768,30 EUR vor
(K4/BI. 12f d.A.). Dabei wies das Unternehmen darauf hin, daß für Betrieb, Wartung und Reparatur noch weitere Kosten entstünden, ferner daß infolge der Verlegung der Druckleitung im vorhandenen Wohnraum der Wohnkomfort verschlechtert werde.
Alsdann erstellte die Fa. *** unter dem 23.06.2016 ein Angebot zur Verlängerung der Abwasserleitung durch das Grundstück 80/27 der Beklagten über 4.215,58 EUR (K5/BI. 14 d.A.).
Des weiteren holten die Kläger ein Angebot des Handwerksmeisters *** (K6/BI. 15
d.A.) über 10.230,24 EUR ein. Dem Angebot lag die Lieferung und Montage einer Hebeanlage zugrunde, wobei der Betrieb darauf hinwies, daß Schacht- und Elektroanschlußarbeiten im Angebot
nicht enthalten seien und die Hebeanlage jährlich zu warten sei. Zudem teilte der Handwerksmeister mit, daß eventuell ein Schallschutz vorgesehen werden solle und optische Beeinträchtigungen (Verlegung der Rohrleitungen in Brusthöhe) zu erwarten seien.
Der Betrieb *** legte unter dem 01.07.2016 (K7/BI. 16 d.A.) ein Angebot über 9.873,79 EUR für die Erstellung einer Abwasserhebeanlage vor. Auch in diesem Angebot findet sich der Hinweis darauf, daß keinerlei Schacht- und Grabungsarbeiten sowie keine elektrischen Anschlüsse enthalten seien.
Die Kläger übersandten der Beklagten die vorgenannten Angebote mit Rechtsanwaltsschreiben vom 30.08.2016 (K8/BI. 17f d.A.).
Da sich die Beklagte auf das Schreiben zunächst nicht geäußert hatte, schrieb sie der Prozeßbevollmächtigte der Kläger unter dem 23.09.2016 (K8/BI. 19 d.A.) erneut an.
Die Beklagte lehnte die Inanspruchnahme ihres Grundstücks jedoch ab und vertrat die Auffassung, es gebe eine vernünftigere und daneben zulässige Lösung, die zudem kostengünstiger sei. Auf die Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft *** vom 04.10.16 und vom 02.11.16 (K10 und K11/BI. 20f d.A.) wird Bezug genommen.
Die Kläger haben daher unter dem 12.12.2016 vor dem Landgericht Gera Klage erhoben. Die Klage ist der Beklagten am 12.01.2017 per Empfangsbekenntnis (BI. 23a d.A.) zugestellt worden.
Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte müsse die Verlegung/Verlängerung der Abwasserleitung über das Grundstück 80/27 dulden, da ihnen ein Anspruch gern. § 26 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz zustehe. Der Anschluß an das Entwässerungsnetz des Zweckverbandes sei anders nicht zweckmäßig und könne nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden. Demgegenüber sei die Beeinträchtigung des Beklagtengrundstücks nicht erheblich. Die Kläger verweisen in diesem Zusammenhang auf die von ihnen vorgelegten Angebote. Aus ihnen ergebe sich, daß die Verlegung der Abwasserleitung mittels Hebeanlage durch ihren Keller nach vorne zur Straße in den Kontrollschacht im Vorgarten in keiner Weise zweckmäßig sei und im Vergleich zu den Kosten der Verlegung einer Abwasserleitung am Haus vorbei über das gemeindeeigene Grundstück nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten erfolgen könne. Im übrigen entspreche das Zurückpumpen von Fäkalien durch einen Keller hindurch, wenn eine andere Möglichkeit bestehe, nicht dem Stand der Technik. Der Pumpvorgang sei ferner nicht geräuschlos und beeinträchtige nicht nur sie sondern auch die Nachbarschaft. Die Pumpe könne zudem im Winter einfrieren, wodurch die gesamte Abwasserentsorgung gefährdet würde. Die Kläger weisen ferner darauf hin, daß bei Erstellung einer Hebeanlage im Keller Maßnahmen ergriffen werden müßten, die sich negativ auf den zwischenzeitlich hochwassergeschützten Keller auswirkten; der Schutz gegen Hochwasser würde unterlaufen. Außerdem dürfte bei einem etwaigen Hochwasser die Pumpe auch ausfallen, weshalb auch insoweit die Abwasserentsorgung gefährdet würde. In bezug auf die beklagtenseits genannte Alternative, die Abwasserleitung durch ihren Kellerfußboden zu verlegen, sei der Beklagten zuzugeben, daß dann zwar die kostenintensive Hebeanlage eingespart werden könnte, jedoch dafür der gesamte Hochwasserschutz im Keller neu gemacht werden müsste. Bei Verlegung der Abwasserleitung im Kellerboden wäre mit Kosten in Höhe von 35.676,37 EUR brutto zu rechnen. Insoweit nehmen die Kläger auf das Angebot des Betriebes *** vom 27.04.2016 (K18/BI. 76ff d.A.) Bezug.
Soweit die Beklagte vortrage, daß auf ihrer Seite Überlegungen existierten, das Grundstück 80/27 künftig einer anderen Nutzung zuzuführen, sei davon weder im außergerichtlichen Schriftverkehr noch bei dem Ortstermin die Rede gewesen. Als Feuerwehrzufahrt sei das Grundstück im übrigen schon heute nutzbar.
Was die Nutzung der alten Abwassergrube auf dem Grundstück 80/28 als Löschwasserreserve betreffe, so wäre die Beklagte auf ihre Zustimmung angewiesen, da die Grube teilweise auf auf ihrem Grundstück liege.
Die umfassende Kellersanierung habe nicht erst ab 2016 stattgefunden, wie die Beklagte vortrage, vielmehr bereits ab 2009.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen zu dulden, daß sie auf dem Grundstück der Beklagten, gelegen in der Gemarkung *** , im Rahmen eines Leitungsrechts nach § 26 Thüringer Nachbarrechtsgesetz an der Ostgrenze des Grundstücks entlang bis zu dem Kontrollschacht im Vorgarten der Kläger auf dem Hausgrundstück *** , ebenfalls belegen in *** , eine Schmutzwasserentwässerungsleitung zum Zwecke des ordnungsgemäßen Anschlusses ihres Grundstücks an das Kanalnetz des zuständigen Zweckverbandes *** in der *** Straße (B7) herstellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, sie müsse die Verlegung der Abwasserleitung über ihr Grundstück nicht dulden.
Den Klägern sei es wie allen anderen Grundstückseigentümern der *** Straße zumutbar, das Abwasser über ihr eigenes Grundstück zu entsorgen. Diese Art der Entsorgung durch das Haus der Kläger verursache zwar einen gewissen Aufwand; dieser sei den Klägern jedoch durchaus zumutbar. Die seitens der Kläger vorgetragenen Kosten für die Entwässerung über ihr Grundstück seien nicht realistisch bzw. überhöht. Die Erstellung einer Hebeanlage sei nicht notwendig, da die Entwässerung im Bereich des Kellerfußbodens realisiert werden könne.
Die Aufwendungen für die Kläger betrügen allenfalls 10.000,- EUR, was nicht unverhältnismäßig hoch sei.
Im übrigen existierten verschiedene Überlegungen, das Grundstück *** künftig einer anderen Nutzung zuzuführen. Gegenwärtig sei vorgesehen, das Grundstück auszubauen und als Feuerwehrzufahrt zu nutzen. Dies sei deshalb geplant, weil die auf dem Grundstück *** befindliche Abwassergrube als Löschwasserreserve genutzt werden solle, da die Löschwasserversorgung im genannten Bereich gegenwärtig nicht ausreiche. Das Grundstück *** müsse im Hinblick darauf entsprechend befestigt werden. Unabhängig davon sei auch eine Bebauung des Grundstücks *** nicht generell ausgeschlossen.
Bezogen auf die Renovierungsarbeiten der Kläger sei zu berücksichtigen, daß die Kläger bereits zum Zeitpunkt der Renovierungen, die keinesfalls vor 2016 stattgefunden hätten, Kenntnis davon gehabt hätten, daß ein Anschluß der Abwasserleitung nach vorne zur *** Straße erfolgen werde. In einer Einwohnerversammlung vom 04.12.2014 im Clubhaus *** seien die Kläger über die beabsichtigten Investitionen bezüglich der Trinkwasser- und Abwasseranschlüsse und deren Auswirkungen auf die einzelnen Grundstücke informiert worden. Dazu hätten alle geladenen Bürger die Möglichkeit gehabt, Anfragen zu stellen. Die Kläger seien zu der Veranstaltung persönlich am 19.11.2014 eingeladen worden. Der Gemeindemitarbeiter *** habe die Einladung vom 11.04.2018 („K2″/BI. 113 d.A.) persönlich in den Briefkasten der Kläger eingeworfen. Die Beklagte bietet insofern die Einvernahme des Zeugen *** zum Nachweis an.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) für Wasserwirtschaft & Dipl.-Volkswirt Uwe Halbach. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten vom 26.06.2018, auf die schriftliche Ergänzung vom 12.10./18.10.2018 sowie auf die mündlichen Ausführungen im Termin vom 18.10.2018 (BI. 143ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte Anspruch darauf, daß diese die Durchführung einer Abwasserleitung vom Grundstück der Kläger (Flurstücksnummer *** ) über ihr Grundstück (Flurstücksnummer *** ) duldet, damit ein ordnungsgemäßer Anschluß der Abwasserentsorgung in das Kanalnetz des Zweckverbands *** in der *** Straße hergestellt werden kann. Der Anspruch resultiert aus § 26 Abs. 1 des Thüringer Nachbarrechtsgesetz.

Gern. § 26 Abs. 1 ThürNRG müssen der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte dulden, daß durch ihr Grundstück Wasserversorgungs- oder Abwasserleitungen zu einem Nachbargrundstück hindurchgeführt werden, wenn der Anschluß an das Wasserversorgungs- und entsorgungsnetz anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und die damit für den Duldenden verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend sämtlich erfüllt.

1.

Die Kammer ist aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, daß der Anschluß an das Entwässerungsnetz des Zweckverbands in der Eisenberger Straße nur über das Grundstück der Beklagten zweckmäßig ist. Aus Sicht der Kläger liegt die fehlende Zweckmäßigkeit sowohl hinsichtlich der Variante – Zurückpumpen der Fäkalien durch den Keller des klägerischen Anwesens, wobei die Druckleitung an die Decke gehängt wird – als auch hinsichtlich der Variante – Zurückpumpen der Fäkalien durch den Keller des klägerischen Anwesens, wobei die Druckleitung im Fußboden verlegt wird – auf der Hand. In beiden Fällen geht die Verlegung der Leitungen zum Anschluß an das Kanalnetz „nach vorne raus“ mit erheblichen Eingriffen in das Eigentum der Kläger einher.
In der Variante „Druckleitung an der Decke“ müßte eine deutlich sichtbare – wenig wohnliche Leitung angebracht werden, die die Nutzung des Büros im Keller nicht nur optisch einschränkte, da die Leitung zumindest auch den Stauraum beschnitte. Daß vorliegend auch die Optik entscheidend ist, ergibt sich ohne weiteres daraus, daß die Kläger die Kellerräumlichkeit, die für die Aufhängung der Druckleitung vorgesehen wäre, nicht als sog. Kohlenkeller (für Heizung, Fahrräder, Winterreifen, Lebensmittelvorräte etc.) nutzen sondern sich ein wohnlich gestaltetes Büro eingerichtet haben. Angesichts dessen ist ohne Relevanz, ob es sich um eine echte Souterrain-Wohnung handelt oder nicht. Zudem müßten auch bei der Anbringung der sog. Hebeanlage Maßnahmen erfolgen, bei denen Eingriffe in die Bausubstanz erfolgten.
Hinsichtlich der Variante „Druckleitung im Fußboden“ sind zu erwartende Eingriffe in die Bausubstanz noch deutlicher. Zur Verlegung der Leitung müßte der Fußboden des Kellerbüros aufgehackt werden.
Die Kammer befindet sich im Einklang mit der vom Sachverständigen geäußerten Einschätzung. Dieser hat in seinem Gutachten vom 26.06.2018 unter Bezugnahme auf die Kellergestaltung der Kläger ausgeführt, bei einem Kohlenkeller sollte es nicht darauf ankommen, ob ein weiteres Rohr an die Decke gehängt werde, oder ob das Rohr nach vorherigem Aufhacken im Fußboden versenkt werde. Dies sei jedoch bei der Ausstattung des Kellers der Kläger anders. Dieser weise eher Merkmale einer Souterrain-Wohnung auf. Demgegenüber werde bei der Variante, die die Kläger bevorzugten – Abwasserleitung im natürlichen Gefälle über das Grundstück der Beklagten hinweg – weit weniger „Gebäudesubstanz“ zerstört. Die Kammer fügt dazu an, daß damit ohnehin nicht zu rechnen wäre, da es sich bei dem maßgeblichen Grundstücksteil, in dem die Leitung verlegt werden müßte, nur um einen Weg (ohne jegliche Bebauung) handelt, Der Sachverständige hat des weiteren – bezogen auf die Variante „Druckleitung an der Decke“ – auf einen erheblichen Umstand hingewiesen, den auch die Kammer als bedeutsam einschätzt. Er hat im Rahmen dermündlichen Verhandlung ausgeführt, daß die Nachteile einer Pumpstation berücksichtigt werden müßten, die in der Regel auch von den Kommunen beachtet würden, die dann den Einsatz solcher Pumpen eher vermieden: Eine Pumpe könne verstopfen, verursache einen erhöhten Stromverbrauch und habe nur eine beschränkte Lebensdauer. Zudem – darauf hat der Gutachter schon in seinem schriftlichen Gutachten abgestellt – sei der Ausfall einer Abwasserpumpe im Hochwasserfall sehr wahrscheinlich; außerdem sei zu befürchten, daß auch die Elektronik und Elektrotechnik (der Pumpe) beschädigt werde. Bestätigt hat der Sachverständige daneben, daß eine zu installierende Abwasserpumpe Kosten für Wartung und Pflege verursache. Er hat alsdann noch einen weiteren gewichtigen Aspekt angesprochen, der nur die Verlegung der Leitung im Boden durch das Beklagtengrundstück als zweckmäßig erkennen läßt. Der Sachverständige hat ausgeführt, jede Abwasserpumpe verstoße gegen den Erfahrungssatz , daß drehende Teile im Abwasser nach Möglichkeit zu vermeiden seien. In bezug auf die Verlegung im Fußboden des Kellerbüros hat der Sachverständige alsdann noch darauf hingewiesen, daß nach seiner Berufserfahrung die Zerstörung einer Sperrschicht gegen Nässe infolge der Verlegung einer Leitung im Fußboden äußerst problematisch sei, weil die anschließende Reparatur der Dichtschicht nicht ohne weiteres gelinge.
Angesichts der vorgenannten erheblichen Nachteile beider Varianten hat offen bleiben können, ob tatsächlich (auch) damit zu rechnen wäre, daß die von den Klägern durchgeführten Hochwasserschutzmaßnahmen infolge der Verlegung der Leitung durch ihr Haus dauerhaft beeinträchtigt würden, und ob ggf. sogar eine Wertminderung verbliebe. Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat es daher nicht mehr bedurft.
2.
Die Beweisaufnahme hat des weiteren ergeben, daß der Anschluß an das Entwässerungsnetz durch das Haus der Kläger (in beiden Varianten) nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre.
Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, daß in bezug auf die Variante „Druckleitung an der Decke“ von Kosten in Höhe von etwa 12.000,- EUR auszugehen sei, die jedoch nur für den Einbau eines Abwasserpumpwerks und die Verlegung der Druckleitung anfielen. Hinzu kämen dann noch Renovierungskosten (für den Fliesenleger, den Maurer, den Trockenbauer, den Maler). Der Sachverständige hat den vorgenannten Betrag als Mittelwert bezeichnet und sich insoweit nicht nur auf die klägerseits vorgelegten Angebote verschiedener Unternehmen bezogen, sondern im Rahmen der mündlichen Verhandlung klargestellt, daß er diese Angebote auf Plausibilität geprüft habe. Er habe aufgrund seiner eigenen Erfahrung eingeschätzt, daß die Kalkulationen in den drei Angeboten „in Ordnung“ seien. Der Sachverständige hat noch hinzugesetzt, daß er eine ähnliche Fragestellung auch bereits in einem anderen Rechtsstreit vorliegen gehabt habe und auch deshalb einschätzen könne, daß der von ihm angesetzte Mittelwert korrekt sei.
Da sich angesichts der veranschlagten 12.000,- EUR im Vergleich zu den etwa 5.000,- EUR betragenden Kosten für die Durchführung der Leitung durch das Grundstück der Klägerin eine Differenz von mindestens 7.000,- EUR ergeben hat, Renovierungskosten noch nicht hinzugerechnet, wären die Aufwendungen der Kläger ohne die Inanspruchnahme des Beklagtengrundstücks nach Auffassung der Kammer unverhältnismäßig.
Daß die Variante „Druckleitung im Fußboden“ etwa kostengünstiger zu bewerkstelligen wäre, hat die Kammer ausgeschlossen, da bei dieser Variante der Kellerfußboden großflächig aufgehackt werden müßte. Sowohl für die Verlegung der Leitung als auch die nachfolgenden Renovierungsarbeiten wären – dies schätzt die Kammer auch unter Bezugnahme auf die Anlage K18 gern. § 287 ZPO ein – insgesamt noch höhere Kosten zu veranschlagen.
3.
Die Beeinträchtigung des Beklagtengrundstücks ist nicht erheblich. Das Grundstück *** wird nur als Weg/Zuwegung, ggf. Zufahrt, möglicherweise auch als Feuerwehrzufahrt, genutzt. Eine im Erdboden versenkte Leitung hindert diese Art der Nutzung nicht. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang in seinem schriftlichen Gutachten vom 26.06.2018 ausgeführt, die Beklagte habe keinen abwassertechnisch erheblichen Grund genannt, der eine andere Sichtweise geböte. Schließlich werde der öffentliche Raum üblicherweise für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung genutzt. Daß die Beklagte konkrete Bebauungspläne oder anderer Nutzungspläne hätte, die durch die Leitung beeinträchtigt würden, hat sie bereits nicht ausreichend dargelegt/nachgewiesen. Zudem hat der Sachverständige insoweit klargestellt, daß eine Überbauung der Leitung technisch möglich wäre. Auch wenn die Überbauung eines Abwasserkanals „nicht regulär“ sei, werde dies im Einzelfall doch gemacht, so beispielsweise in der Stadt Chemnitz.
Die Kammer hat den Sachverständigen als kompetent erlebt. Soweit nach seinen schriftlichen Ausführungen ggf. weiterer Erklärungsbedarf bestanden hat, hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Einvernahme ausreichend erläutert, wie er zu dieser oder jener Einschätzung gelangt ist. Daß sich der Sachverständige selbst nicht als ausreichend kompetent in bezug auf die Frage nach Renovierungskosten bezeichnet hat, hat sich nicht ausgewirkt, da es darauf (in bezug auf die zu ermittelnde Höhe) nicht mehr angekommen ist.

II

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO:
gez.
***
Richterin am Landgericht

Beschluß

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Landgericht Gera
Rudolf-Diener-Straße 1
07545 Gera

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluß mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Das elektronische Dokument muß
– mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder
– von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

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