Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt

von Prof. Dr. Thomas Bauer

Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Institut für Arabistik & Islamwissenschaft
Schlaunstraße 2
48143 Münster

 

 

 

Exzerpt

Zitate aus o.g. Buch:

  • „Thematisiert wird einerseits unser Umgang mit äußerer Vielfalt wie ethnischer Diversität oder einer Vielfalt an Lebensentwürfen, sowie andererseits auch unser Umgang mit den vielfältigen Wahrheiten einer uneindeutigen Welt. Denn genau dies ist unsere Welt: uneindeutig. Menschen sind ständig Eindrücken ausgesetzt, die unterschiedliche Interpretationen zulassen, unklar erscheinen, keinen eindeutigen Sinn ergeben, sich zu widersprechen scheinen, widersprüchliche Gefühle auslösen, widersprüchliche Handlungen nahezulegen scheinen. Kurz: Die Welt ist voll von Ambiguität.“ (Seite 12)
  • Manchmal ist es sinnvoll, zwischen Vagheit und Ambiguität zu unterscheiden. Für unsere Zwecke ist das aber nicht notwendig, weil beides darauf hinausläuft, dass einem Zeichen oder einem Umstand mehrere Interpretationen zugeordnet werden können, sei es, weil das Zeichen bzw. der Umstand nicht eindeutig genug ist (Vagheit) oder weil Zeichen oder Umstände auf mehrere Bedeutungen gleichzeitig hindeuten (Ambiguität im engeren Sinne). Wir verwenden also im Folgenden »Ambiguität« als Oberbegriff.“ 
    Ambiguität entsteht oft unfreiwillig, etwa dann, wenn sich ein Schützenverein das Motto gibt: »Schießen lernen Freunde treffen.« Oft wird Ambiguität aber auch willentlich erzeugt, etwa wenn in der Literatur mehrdeutige Wortspiele oder assoziationsreiche Bilder verwendet werden, oder wenn in der Diplomatie Verträge bewusst nicht allzu eindeutig formuliert werden, um überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen. (Seite 13)
  • Was bleibt nun übrig, wenn die Ambiguitätstoleranz schwindet? Als Erstes wird alles, was nicht eindeutig erscheint, alles Ambiguitätsgesättigte, alles, dessen Grenzen schwer zu umreißen sind, alles, was sich nicht in Zahlen umsetzen lässt, abgewertet. Ambiges scheint weniger wichtig zu sein. Dagegen erfährt alles, was klare, eindeutige Wahrheiten oder wenigstens exakte Zahlen hervorbringt oder hervorzubringen scheint, eine Steigerung des Ansehens. Da sich damit aber weniger gut gesellschaftlicher Zusammenhalt stiften lässt, übernimmt eine andere Instanz die Macht, nämlich der Markt, der über die magische Fähigkeit verfügt, allem und jedem einen exakten Wert bis auf viele Stellen hinter dem Komma zuzuordnen. Vielleicht lässt diese magische Entambiguisierungsfähigkeit verbunden mit der Furcht, sich auf ambigere Lebensleitbilder einzustellen, vielen den radikalen Marktkapitalismus, trotz all seiner Zumutungen, als alternativlos erscheinen.) (Seite 38)

(Ambiguität = Doppeldeutig)

Ein hochinteressantes und zudem sehr preiswertes Büchlein!

Und nun ein Widerspruch beim „Gewässerschutz“:

Einerseits

wird Biodiverstät im Gewässer gefordert und wenn sie fehlt, dann wird diese beklagt,

anderseits aber,

wird Biodiverstät einfältig durch Eindeutigkeit der Grenzwerte (Diktatur der Grenzwerte) verhindert.

 

 

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