Melkhausabwasser ist häuslichem Abwasser sehr ähnlich

Bei dem Melkhausabwasser handelt es sich um Abwasser, das häuslichem Abwasser in seiner Zusammensetzung entspricht bzw. sehr ähnlich ist. Dies ist auch nicht erstaunlich, denn die Aufgabe der Kuh besteht ja gerade darin, Milch zu geben, die für ihr Kälbchen in hohem Maße abbaubar, also verträglich ist. Insofern sind also keine besonderen Schwierigkeiten beim Abbau von Melkhausabwasser zu erwarten.

Der Unterschied zum kommunalen Abwasser besteht lediglich darin, dass auf Grund des recht sparsamen Trinkwasserverbrauches bei der Reinigung von Melkanlagen die Konzentrationen der Abwasserinhaltsstoffe steigen.

Konzentrationen oder Frachten?

Dazu ein Beispiel: Wird die Fracht eines Einwohnergleichwertes von z. B. 120 g CSB/Ed mit einer Abwassermenge von 150 l/Ed vermischt, dann beträgt die Konzentration nach der Formel 1 anschließend 800 mg CSB/l.

Melkhausabwasser

Formel 1

Wird dagegen Trinkwasser gespart und z. B. der Fracht nur mit 60 l/Ed verdünnt, dann steigt die CSB-Konzentration auf 2.000 mg CSB/l (Formel 2) .

Melkhausabwasser

Formel 2

Wird Wasser gespart, dann steigen bei gleicher Fracht die Konzentrationen

Einen bemerkenswerten diesbezüglichen Fall gab es vor einigen Jahren in Sachsen-Anhalt in einer kleinen Gemeinde in deren Abwasser ähnlich hohe CSB-Konzentrationen durch die Behörde festgestellt wurden. Man untersuchte das Abwasser, suchte unter den Indirekteinleitern nach „Schmutzfinken“, inspizierte die Kanäle und am Ende war der niedrige Abwasserverbrauch der Bürger die alleinige Ursache für die Aufregung.

Selbstverständlich war die Konsequenz des Wassersparens, dass die Kläranlage die Überwachungswerte überschritt, obwohl die Ablauffracht deutlich niedriger gegenüber dem Fall war, wenn sie die Überwachungswerte eingehalten hätte.

Vergleiche: Überwachungswert für Kläranlagen

Mit diesen Ausführungen soll bewiesen werden:

Für sachliche und vor allem widerspruchsfreie Bewertungen sind Konzentrationen – auch Überwachungswerte – als alleiniges Instrument wegen ihrer Widersprüchlichkeit ungeeignet.

Diese Zusammenhänge sind auch den Hydrobiologen, Chemikern, Wasserwirtschaftlern  und den Fachbehörden und ferner Medizinern bestens bekannt, die natürlich nicht Belastungen mit Konzentrationen sondern nach Frachten bewerten, genauso wie es seit Theophrastus Bombast von Hohenheim, also seit über 400 Jahren üblich ist:

Die Dosis macht das Gift!

Überraschend ist es deshalb nicht, dass Fachbehörden – wenn sie sachlich vorgehen – Frachten bewerten. Konzentrationen sind dabei eher zweitrangig.

Beweis der Analogie mit häuslichem Abwassers

In der folgenden Tabelle 1 wird die gemessene Fracht des Melkhausabwassers mit einem normativen häuslichen Abwasser (Tabelle 3/Tabelle 4) verglichen:

Melkhausabwasser

Tabelle 1: Gemessene Abwasserfracht und Bewertung

Zur Berechnung: Für den BSB5 wurde in einer Messkampagne ein Mittelwert von 1.327 mg/l und ein Median von 1.260 mg/l gemessen. In der Tabelle 1 wurde der ungünstige (größere Betrag) 1.327 mg/l gewählt. 1.327 mg/l entsprechen 1,327 kg/m³. 1,327 kg/m³ multipliziert mit 23 m³/d ergibt eine Zulauffracht zur Biologie von 30,5 kg BSB5/d.

Ein Einwohner verursacht in seinem Abwasser eine normative Fracht von 60 g BSB5 /Ed. (Tabelle 2).

Melkhausabwasser

Tabelle 2: Häusliche Abwasserfracht nach Imhoff[1] eines Einwohners hier in kg/d

30,5 kg BSB5 /d dividiert durch 0,06 kg BSB5 /Ed ergibt 509 Einwohner; d. h. 509 Einwohner würden eine Fracht von 30,5 kg BSB5 /d verursachen[2].

Analog wurden die anderen Parameter der Tabelle 1 kalkuliert.

Daraus folgt:

In seiner Fracht und Frachtstruktur entspricht das gemessene Melkhausabwasser hinreichend genau etwa dem häuslichen Abwasser (hier von 509 Einwohnern).

Gerechnet mit einem realistischen Abwasseranfall von z. B. 70 l/Ed würde eine Kommune mit 509 Einwohnern einen Abwasseranfall von » 36 m³/d aufweisen.

Zu bewerten ist auch, dass die entsprechenden Regelwerke sich an spezifischen Abwassermengen orientieren, die im ländlichen Raum vor Jahrzehnten[3] aktuell waren.

Heute liegt im ländlichen Raum der Trinkwasseranfall bei etwa 70 l/Ed und z. T. noch darunter.

Die Konsequenz ist:

Die höheren Zulaufkonzentrationen entsprechen nicht mehr der heutigen Situation. Wenn Melkhausabwasserkonzentrationen mit denen des häuslichen Abwassers verglichen werden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehleinschätzungen.

Die Wahrheit liegt, wie schon bewiesen, eben bei den Frachten.

Melkhausabwasser

Tabelle 3: Häusliches Abwasser nach Imhoff bei 509 Einwohnern [kg/d]

Melkhausabwasser

Tabelle 4: Frachtstruktur nach dem Arbeitsblatt der ATV-DVWK-A 131, Mai 2000

Unbedenkliche Desinfektionsmittel, weil biologisch abbaubar

Desinfektionsmittel im Abwasser sind geeignet Ängste zu verbreiten. Die Szenarien stammen meist aus der Zeit vor 1989, als z. B. Formaldehyd zur Desinfektion noch zugelassen war. Damals genügte z.B. 1 Liter dieser Chemikalie um den Abbau in einer größeren Kläranlage zu schädigen.

Im vorliegenden Fall ist es völlig falsch anzunehmen, Melkanlagen würden mit nicht abbaubaren Desinfektionsmitteln desinfizieren. Wäre das in der Tat so, dann wären diese Desinfektionsmittel auch in der Milch nachweisbar; damit ist dieser Fall überhaupt undenkbar.

Sicher sind Desinfektionsmittel im Melkhausabwasser häufig und sicher noch häufiger auch im häuslichen Abwasser zu finden.

Die alles entscheidende Fragen ist aber im gegebenen Fall ihre Abbaubarkeit. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie nach einer üblichen biologischen Abwasserbehandlung verschwunden sind oder sein sollten.

Und sie sind verschwunden!

Abgesehen von der Tatsache, dass eine korrekte Verwendung abbaubarer Desinfektionsmittel offenkundig unschädlich ist, wurde dies in einem Praxisversuch[4] auch nachgewiesen:

In der eingesetzten Vorklärung, einer Dreikammerabsetzgrube nach DIN 4261 Teil 1 war auch mit starker Aufkonzentrierung bereits 1 Stunde nach einem Desinfektionsvorgang das Desinfektionsmittel im Abwasser in keiner Kammer der Absetzgrube mehr nachweisbar.

Damit sollte hinlänglich bewiesen sein, dass abbaubare Desinfektionsmittel kein Thema für eine Verschärfung der Überwachungswerte sind, bzw. diese nicht zu begründen vermögen.

Eine Leitlinie, die z.T. falsch leitet

Leitlinie zur effizienten und umweltverträglichen Erzeugung von Milch, Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft

Zitat:

Melkhausabwasser und Klauenbad
Melkhausabwasser ist eine Mischung aus Wirtschaftsdünger (Gülle), Wasser, Desinfektionsmitteln
und Milch. Die Qualität kann daher sehr unterschiedlich sein. Der Einsatz von Reinigungs-
und Desinfektionsmitteln und der Abwasseranfall können bei Umstellung auf Heißwasserspülung
wesentlich verringert werden. Neben der alleinigen Verwertung von Melkhausabwässern
ist auch die Einleitung in die Gülle zulässig.

Melkhausabwasser fällt, da es Rohmilch enthält, unter die VO (EG) Nr. 1069/2009 sowie der zugehörigen
Durchführungsverordnung VO (EU) 142/2011 und ist als Düngemittel gemäß Düngemittelverordnung
(DüMV) Anlage 2 Tabelle 7.2.5 (Abwässer aus der Verarbeitung von Rohmilch nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe g VO (EG) Nr. 1774/2002) einzustufen.

Somit ist Melkhausabwasser kein Wirtschaftsdünger, sondern als organischer NPK-Dünger flüssig landwirtschaftlich zu verwerten.

Wenn das als Düngemittel eingestufte Abwasser mit einem Wirtschaftsdünger vermischt wird, ist
das Gemisch düngemittelrechtlich ebenfalls ein NPK-Dünger flüssig, auch wenn es auf eigene Flächen
ausgebracht wird.

Bei der Aufbringung auf landwirtschaftliche Nutzflächen sind die Vorschriften nach guter fachlicher Praxis entsprechend Düngeverordnung (DüV) (u. a. Sperrfrist, N Obergrenzen)
einzuhalten.“

Die Schlussfolgerung „Somit ist Melkhausabwasser kein Wirtschaftsdünger, sondern als organischer NPK-Dünger flüssig landwirtschaftlich zu verwerten.“ ist sachlich, wasserwirtschaftlich nicht nachvollziehbar und sie sollte so geändert werden, dass sie effizient ist und außerdem die Bauern nicht noch zeitlich und finanziell unnötig belastet.

Argument:

  • Häusliches Abwasser hat die gleiche Zusammensetzung wie Melkhausabwasser und es ist nicht nachvollziehbar, wenn es als organischer NPK-Dünger flüssig landwirtschaftlich verwertet werden soll.  
  • Mit effizienter und umweltverträglichen Erzeugung von Milch“  hat die Regelung „Somit ist Melkhausabwasser kein Wirtschaftsdünger, sondern als organischer NPK-Dünger flüssig landwirtschaftlich zu verwerten.“ aber auch nicht das Geringste zu tun. Deshalb nicht weit es nicht ansetzweise effizient ist.

Ein Analogiebeweis:

Kommunales Abwasser wird aus Effizienzgründen nicht als organischer NPK-Dünger flüssig landwirtschaftlich verwertet.

Ergebnisse

  • Melkhausabwasser entspricht in seiner Zusammensetzung hinreichend genau häuslichem Abwasser.
  • Die Konzentrationen der Inhaltsstoffe sind vergleichsweise etwas höher. Würden die Landwirte Wasser nicht sparen, dann könnte es sein dass die Konzentrationen des Melkhausabwassers denen von häuslichem Abwasser etwa gleichen.
  • Melkhausabwasser ist nach meiner Überzeugung wie häusliches Abwasser behandelbar.
  • Die entsprechende/n Leitlinie/n sollten unbürokratisch entschärft werden. Prämisse ist die Verhältnismäßigkeit! Dabei sind die Konsequenzen, welche die Bauern erdulden müssen, bis zu Ende zu denken!

Literatur und Fußnoten

[1] Imhoff, Karl und Klaus: Abwasserlast und -fracht, Taschenbuch der Stadtentwässerung, 29., verbesserte Auflage, 1999, R. Oldenbourg Verlag Wien München

[2] Ob die Anlage tatsächlich für 500 Einwohner auszulegen ist, wäre noch zu entscheiden. 20 % Sicherheit sind üblich.

[3] Imhoff: Taschenbuch der Stadtentwässerung, 8. Auflage, 1939, Seite 18 : 150 l/Ed!

[4]  Untersuchung der dezentralen gewerblichen Reinigung von Abwässern eines landwirtschaftlichen Produktionsbetriebes (Milchviehanlage) in einer Pflanzenkläranlage (https://www.dbu.de/projekt_08690/01_db_2409.html)

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