Schwer abbaubare Stoffe immer ein Problem für die Umwelt?
Das kommt darauf an, was man unter „schwer abbaubar“ versteht.
Laien wird mit dem Begriff der schweren Abbaubarkeit gerne Angst eingejagt um ihr Denken und Handeln zu steuern.
Hinter einer schwer abbaubaren Verbindung wird gemeinhin „extrem harte, giftige und böse Chemie“ vermutet. Dabei ist die schwere Abbaubarkeit einer organischen Verbindung kein Beweis für das Vorliegen von Schadstoffen.
Alle ungehemmten biologischen Prozesse unterliegen einer Abbaufunktion, die am Anfang mit höherer und zum Abbauende mit langsamerer Geschwindigkeit (also schwer abbaubar) verläuft. Schon allein der Mangel an Nährstoffen, an Spurenelementen oder auch am abzubauenden Substrat kann den Abbau bremsen.
Wird eine Probe aus einem biologischen Prozess entnommen, der langsam zu Ende geht, so findet der Chemiker natürlich zunehmend mehr schwer abbaubare Stoffe.
Eine schwere Abbaubarkeit ist auch ein Indiz für das Ende eines biologischen Abbaus.
Wein, in der Abbaustufe, wie er getrunken wird, hat z. B. seine Abbaugrenze erreicht. Wäre es anders, so wäre es leicht möglich, dass nicht nur Obstweinbereiter bei entsprechender Zuckerzugabe allein durch die alkoholische Gärung 100 % -igen Alkohol in ihren Bollons finden könnten. Leider hat die Natur als Abbauhemmnis sich den Alkohol einfallen lassen, der so ab 14 % je nach geübter Hefe den Abbau zunehmend erschwert bis er ihn ganz unmöglich macht.
Ob im Einzelfall ein hoher „CSB“ tatsächlich natürlichen Ursprungs ist, oder ob z. B. Gifte im Gewässer die Abbauhemmung verursachten, kann allein mit dem „CSB“ nicht bewiesen werden.
In der Regel genügt es allein (!), CSB zu finden, um damit die Zahlung einer Abwasserabgabe auszulösen oder den Straftatbestand der (unerlaubten) Gewässerverschmutzung festzustellen und zu verfolgen. (Der gehemmte biologische Abbau ist eher bei Havarien in kommunalen Abwässern oder in Abwässern der Lebensmittelindustrie zu finden. Dieser Abbau, z. B. von Giften, wie Formaldehyd verläuft anders und ist nicht Gegenstand dieses Beitrages.)
Beim biologischen Sauerstoffbedarf dagegen, der, wenn er vorkommt und gemessen wird, eine Teilmenge des chemischen Sauerstoffverbrauches bildet, ist es so, dass mit der Erschwerung des biologischen Abbaus auch der tatsächliche Sauerstoffverbrauch im Gewässer extrem nachlässt.
Ein Vorteil der schweren Abbaubarkeit also!
Schwer abbaubare Stoffe – im Ergebnis einer üblichen biologischen Abbaukurve – sind scheinbar paradox:
Hinsichtlich der Sauerstoffzehrung im Gewässer sind dieses Stoffe (BSB20 minus BSB5) nämlich erheblich weniger wirksam, als ein Abwasser mit einem leicht abbaubaren BSB.
Die Schwerabbaubarkeit ist also nur Indiz für etwas Beliebiges.
Nutz-, Schadstoffe und belanglose Stoffe können nämlich allesamt schwer abbaubar sein und häufig sind sie es auch.
Nebulös bleibt immer ohne weitere Untersuchungen, welche Stoffe denn nun die schwere Abbaubarkeit verursachten.
Zu den schwer abbaubaren Substanzen notiert z. B. das DVWK-Merkblatt 228/1996: „Außerdem ist man in der Lage, einigermaßen begründet den Anteil der schwer abbaubaren Substanzen abzuschätzen, wenn man einen Vergleich zwischen Chemischem und Biochemischem Sauerstoffbedarf anstellt.“
Dies ist korrekt.
Schließlich noch ein natürliches Beispiel:
Im Rio Negro „wimmelt“ es nur so von schwer abbaubaren CSB, dass dieser davon ganz schwarz geworden ist.
Hier ein Luftbild von der Mündung des Rio Negro in den Amazonas:
Größere Kartenansicht
Würde der Rio Negro seinen nicht abbaubaren CSB verlieren, so wäre dies eine echte Katastrophe für viele Lebewesen in dem Fluss und ein wirklicher Grund zum Klagen.
Im Übrigen erzeugt der CSB in der Natur keinen Sauerstoffbedarf, wie fälschlich fast ausnahmslos geglaubt wird.
Literatur:
[1] DVWK-Merkblatt 228/1996Aussagekraft von Gewässergüteparametern in Fließgewässern
Teil II: Summenparameter Kohlenstoffverbindungen und sauerstoffverbrauchende Substanzen, Mineralstoffe, Organische Schadstoffe, Hygienische Kennwerte
Siehe auch:
Fachbeitrag von 2013 in der wwt.
Download: CSB – Beweismittel einer Gewässerverschmutzung?)
Guten Abend Herr Dr. Kohler,
Vielen Dank für Ihre interessante Ergänzung.
Ich habe den Rio Negro als Beispiel gewählt, weil man diesen schwarzen „CSB“ so eindrucksvoll bei http://maps.google.com sehen kann.
Mit besten Grüßen
Uwe Halbach
Da brauchen Sie nicht so weit zu gehen. Im Nordschwarzwald fließt die Murg – eine durch Huminstoffe braungefärbte „Brühe“. Nicht durch die Papierindustrie (die ist inzwischen sauber oder nicht mehr existent), sondern aus dem Schwarzwald abfließendes Wasser.
Ein anderes Beispiel: In der Kühlwasserbehandlung von Kraftwerken setzt man Härtestabilisatoren auf der Basis (schwer abbaubarer, kaum bioverfügbarer) Phosphonsäuren ein. Diese haben den Charme, dass man mit winzigen Mengen hervorragende Effekte bekommt (sog. Treshold-Effekt). Inzwischen bieten findige Hersteller „umweltfreundliche“ Produkte an, mit Polyphosphaten und anderen abbaubaren „Zaubermittelchen“. Die Mikrobiologie freut sich… Und wenn die Hersteller dann „umweltfreundliche“ Biozide (auf Basis Peressigsäure -> gibt leckere Essigsäure) benutzen – dann haben sie ein wunderbares, sich selbst (und den Umsatz) erhaltendes System generiert…