Gegenstand des Beitrages ist die Minimierung von Kanalgestank mit einer innovativen Lösung.

Methode zur Minimierung von Kanalgestank und der Kanalzerstörung

Am Beispiel der Investitionsvorbereitung, Planung und Realisierung der Abluftanlage in Weferlingen.

Die Aufgabe – Minimierung von Kanalgestank 

Weferlingen ist eine kleine Stadt in Sachsen-Anhalt und liegt zwischen Wolfsburg und Magdeburg. (Weferlingen bei Google)

Mitten in der Stadt befindet sich ein Abwasserpumpwerk (Foto 2) mit mehreren Zulaufkanälen und einer ausschüttenden Abwasserdruckleitung.

Ein Pumpensumpf stellt meist eine Begrenzung für die Ventilation von Luftströmungen in den Kanälen zwischen den Haltungen dar.

Aus diesem Grund kann es – wie hier in Weferlingen – zu Luftströmungsänderungen kommen, die dann zur Folge haben, dass Abluft aus den Kanälen durch die Lüftungslöcher in den Schachtdeckeln ins Freie tritt und Belästigungen, also Kanalgestank hervorrufen kann. Es sind auch andere oder mehrere Ursachen denkbar.

Es hat sich in Weferlingen gezeigt, dass die Überdachentlüftung des Pumpensumpfes nicht ausreichend war, um eine zuverlässige Entlüftung des Kanalnetzes zu sichern.

Neben dem Kanalgestank bzw. der Geruchsbelästigung durch frische oder faulige Kanalgase ist zumeist auch eine allmähliche Zerstörung der Abwasseranlagen durch aggressive Kanalgase vorzufinden.

Kanalgestank

Foto 1: Ein durch Schwefelwasserstoff z. T. geschädigter Abwasserschacht

Bei fortschreitender Schädigung fallen die Steigeisen ab, der Beton zersetzt sich, so dass der Kies im Beton sichtbar wird und die Fliesen auf der Berme sich lösen.

Es sind Fälle bekannt, in denen sogar Steinzeugrohre durch fauliges Abwasser förmlich aufgelöst wurden. Normalerweise sollte ein Abwasserbauwerk wenigstens 80 Jahre halten.

All diese Schäden können verhindert werden, wenn Abwasser frisch transportiert wird. Mir sind Bauwerke bekannt, die bei korrekter Belüftung weit über hundert Jahre hielten.

Der Mensch neigt jedoch dazu, sich weniger darum zu sorgen, dass seine Werke ewig halten.

Die Aggressivität der Kanalgase steigt mitunter zur lebensbedrohlichen Gaskonzentration (Schwefelwasserstoff) an, insbesondere dann, wenn das Abwasser vom Verursacher zur Kläranlage lange unterwegs ist.

Es hat dann Zeit sich zu zersetzen sowie besonders lebhaft und eindrücklich vor sich hin zu stinken.

Geruchsbelästigung

Foto 2: Das Abwasserpumpwerk Weferlingen, dahinter liegend ein altes Trafohäuschen, das im Weiteren noch eine besondere Rolle spielen soll.

Im Falle der Stadt Weferlingen waren die Geruchsbelästigungen im Stadtzentrum sehr erheblich, so dass der Abwasserzweckverband Aller-Ohre sich mit der Beseitigung des Problems zügig und erfolgreich beschäftigte.

Die Verbandsgeschäftsführerin Frau Silbermann macht sich die Lösung der Aufgabe zur Chefsache.

Bearbeiter des Projektes war ihr ehemaliger Mitarbeiter Herr Hasler und dann Frau Salomon.

Bei den Messungen unterstützte das Team der Kanalarbeiter des AZV Aller-Ohre. Zu nennen sind Herr Kraft  (Leiter Klärwärter) und der Klärwärter Herr Wendt.

Probieren geht zwar über studieren, aber wer beides beherrscht, hat deutlich mehr Argumente auf seiner Seite.

Das Institut für Wasserwirtschaft Halbach durfte schließlich die Effektivität und den Wirkungsbereich einer Absaugeinrichtung von Kanalgasen zur Minimierung von Kanalgestank großtechnisch mit einer speziellen Messeinrichtung beweisen. Die vorherigen Messungen führten zu einer Reduzierung des Investitions- und Planungsrisikos fast auf Null Prozent.

Luftströmungen in verzweigten Abwasserkanälen lassen sich nicht sicher berechnen. Insofern sind entsprechende Messungen zweckmäßig, wobei auch eine gewisse Erfahrung von Vorteil ist.

Es gibt viele Möglichkeiten Kanalgestank, Geruchsbelästigungen und Kanalkorrosionen zu vermeiden oder zu minimieren.

Das Institut für Wasserwirtschaft Halbach konzentriert sich bei seinen Lösungsvorschlägen neben der Vermeidung solcher Nachteile (Abwasser frisch behandeln) ausschließlich auf die Gewährleistung oder Herstellung einer korrekten Be- und Entlüftung der Kanalisationen. (Es gibt auch noch andere Lösungswege zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen als das Absaugen und Verdünnen der Kanalgase.)

Ein Erfahrungssatz und der Hebel, mit dem wir die Aufgaben lösen, lautet:

„Wo es hineinzieht, kann es nicht herausstinken!“

Das ist eigentlich schon die ganze Weisheit – sie könnte von einem Kind stammen – allerdings nur mit modernen Messmethoden und moderner Technik vom Institut für Wasserwirtschaft Halbach neu erfunden und im Leistungsvermögen laufend verbessert.

Die ersten Erfahrungen des Institutes über Kanalluftströmungen sowie deren gezielte Absaugung wurden vor gut 10 Jahren gesammelt.

Notwendig war es auch, zahlreiche spezielle Messvorrichtungen, wie z. B. eine auf dem Foto 3 zu konzipieren, anzufertigen und ständig weiter zu entwickeln.

Kanalgestank

Foto 3: Abluftmessungen in Roßla

Ein besonderer Höhepunkt war die Mitwirkung bei einem großtechnischen Versuch in Chemnitz (Foto 4) im Juli 2006 zur Minimierung von Kanalgestank.

Kanalgestank

Foto: Seidel

Foto 4: Abluftmessungen 2006 auf dem Markt in Chemnitz

Bei der Minimierung von Kanalgestank konzentriert man sich auf Teileinzugsgebiete, weil es kaum bezahlbar und notwendig ist, die Be- und Entlüftung einer ganzen Stadt durch derartige Abluftanlagen zu verbessern.

Die Wirkungsbereiche sind also und sowieso begrenzt.

Im Fall von Weferlingen ergaben die Voruntersuchungen des Herrn Dr. Friedemann vom Institut für Wasserwirtschaft Halbach auf der Grundlage von Druck- und Luftvolumenstrommessungen im Teileinzugsgebiet der Kanalisation von Weferlingen, dass ca. 3.400 m³/h Kanalabluft aus einem bestimmten Schacht abzusaugen wären, um alle bekannten Geruchsemissionen aus der 400 m langen und verzweigten Kanalisation sicher zu vermeiden.

Siehe hierzu auch den Artikel der Volksstimme vom 18.05.2010 : Großversuch, um Geruchsbelästigung in Weferlingen künftig in den Griff zu bekommen. (Redakteurin Carina Bosse)

Foto 5: Neue Abluftanlage der Kanalisation von Weferlingen – eingebaut in ein altes Trafohäuschen

Anlagen zur Absaugung von Kanalgasen sind nicht neu (siehe Abbildung).

Abbildung: Die Abbildung zeigt eine Anlage (Berlin-Treptow) aus der Zeit vor 1933 (Pfaue: Gesundheitsingenieur 1930, S. 316).

Bewertung der Emissionen – Schließlich soll der Gestank nicht verlagert werden.

Eine der nächsten Aufgaben bestand in der Bewertung der Emission und der Kalkulation der notwendigen Schornsteinhöhe beruhend auf den Ergebnissen der Vorbemessung.

Diese Aufgabe übernahm als NAN Herr Dr. Krauß. Herr Dr. Krauß ist ö.b.u.v. Sachverständiger für Luftreinhaltung der IHK Chemnitz.

Hier kam uns sehr zustatten, dass Herr Dr. Krauß über umfangreiche Erfahrungen bei der Bewertung derartiger Kanalabluftanlagen verfügt. So wurden von ihm u. a. Luftausbreitungsberechnungen für die schon vorhandene Abluftanlage und die geplante Abluftanlage im Stadtzentrum von Chemnitz (Absaugleistungen 10.000…14.000 m³/h) erstellt sowie Emissionsgutachten mit Schornsteinhöhenberechnung für zahlreiche in Planung befindliche Abluftanlagen angefertigt.

Die folgenden 3 Abbildungen veranschaulichen einzelne Bearbeitungsschritte im Falle einer Luftausbreitungsberechnung. Die Abbildungen wurden freundlicherweise von Herrn Dr. Krauß zur Verfügung gestellt.

Abbildung: Digitales Geländemodell

Abbildung: Windfeld

Abbildung: Variante einer Luftausbreitungsberechnung

Aufgabenstellung zur Planung

Die Aufgabenstellung des Institutes für Wasserwirtschaft Halbach enthielt neben mehreren Standortvarianten auch bautechnische Lösungsansätze und

  • standortbezogene Hinweise,
  • die Funktionsweise der Be- und Entlüftung,
  • Darstellung der Situation vor Ort,
  • Anforderungen an die Abluftanlage,
  • Kalkulation der Einzelverluste,
  • Vorbemessung des Arbeitspunktes,
  • Ergebnis des Emissionsgutachtens,
  • Aufgabenstellungen für Bautechnik, so z. B.
    • Fundament,
    • Rohrleitungsbau,
    • Kompaktanlage,
    • Abluftschornstein,
    • Ausrüstung,
    • EMSR,
    • Ventilatorschutz,
    • Blitzschutz,
    • Anschlussschacht und
    • Inbetriebnahme.

Im Wesentlichen ging es darum, ein neues Gebäude zu errichten oder das vorhandene alte Trafohäuschen als Bauhülle für die Abluftanlage zu nutzen.

Ursachen und Wirkungen sind nicht durch Vernunft, sondern durch Erfahrung zu entdecken…

schrieb David Hume. Um daran anzuknüpfen:Kanalvideo

Unsere Erfahrungen mit derartigen Anlagen sind schon recht umfänglich sowie vielfältig und können zum Nutzen neuer Auftraggeber erschlossen werden.

So kann – um nur auf eine außergewöhnliche Erfahrung einzugehen – z. B. ein Ansaugsieb in Kombination mit einer Kanalinspektion verhindern, dass Jägermeisterflaschen, die im Zuge der Bauarbeiten auf ungeklärte Weise in den Abluftkanal gelangten, bei der Inbetriebnahme dann nicht aus dem Abluftschornstein fallen können.

Jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn mit einer Luftgeschwindigkeit von über 10 m/s die Flasche ins Rutschen gelangt und vom Ventilator erfasst wird.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie genau zwischen die Schaufelräder passt und diesen kritischen Bereich – bei einer Drehzahl von vielleicht 1.450 Umdrehungen je Minute – unzerstört verlässt, ist wohl als sehr gering zu bewerten.

Dafür ist die Flasche einfach zu groß. Bei dieser beobachteten Erfahrung – darauf sei ausdrücklich hingewiesen – handelt es sich aber nicht um die Baustelle in Weferlingen. Der Abluftkanal hatte hier zudem eine kleinere Dimension.

Auch die Kommunalpolitiker der Stadt Weferlingen unterstützen die besondere Methode der Aufgabenlösung.

Das Besondere der Methode besteht in ihrer Seltenheit und in ihrer Nähe zur Ursache.

Üblich ist es, um nur auf 3 Varianten einzugehen:

  1. mit Chemikalien den Geruch zu ändern, oder
  2. die Schachtdeckel mit oder
  3. ohne Biofilter abzudichten.

Viel frische Luft in ein feuchtes und stinkiges Bauwerk zu leiten ist doch meist die beste Lösung.

Die Stadträte entschieden sich nach Abwägung für die Nutzung des Trafohäuschens.

Das ist nachvollziehbar, hätte doch ein weiterer „Klotz“ dem Stadtbild geschadet, wie allein schon aus dem Foto 5 zu schließen ist.

Die Planung

Auf der Grundlage aller Voruntersuchungen fertigte dann das Planungsbüro Kuhn + Partner aus Braunschweig die folgenden Planungsabschnitte ab der Entwurfsplanung.

Die technischen Soll-Parameter aus den Voruntersuchungen und der Aufgabenstellung wurden präzise planerisch und in der Ausführung umgesetzt.

Dem Planungsbüro Kuhn + Partner ist es gelungen, den Abluftschornstein geschickt in dem Trafohäuschen zu verstecken.

Siehe hierzu einen Schnitt aus dem Entwurf des Planungsbüros Kuhn + Partner: Schnitt der Abluftanlage Weferlingen

Foto 6: Blick in den Ventilatorraum

Foto 7: Eingang des alten Trafohäuschens – Im Hintergrund der Raum mit dem eingebauten Abluftventilator

Der Nachweis der Leistung und des Wirkungsbereiches

Am 11.10.2011 hat das Institut für Wasserwirtschaft Halbach gemeinsam mit dem Abwasserzweckverband Aller-Ohre geprüft, ob der in den Voruntersuchungen ermittelte mögliche und zweckmäßige Wirkungsbereich auch umgesetzt wurde. Die Messung fand bei starkem Wind statt. Das war deshalb nicht so günstig, weil zur Messung immer auf eine Flaute gewartet werden musste. Während der Böen wurde am Messtag regelmäßig ein Überdruck im Kanalsystem gemessen. Möglicherweise hätte man bei Windstille noch größere Wirkungsbereiche nachweisen können.

Ergebnisse der Messungen und einige Überlegungen:

  • Der mit Druckänderungen noch messbare Wirkungsbereich ist etwas größer als in den Voruntersuchungen gemessen wurde.
  • Die messbare Wirkung umfasste eine Kanallänge eines verzweigten Kanalnetzes von ca. 600 m.
  • Am Messtag erreichte die Leistung der Abluftanlage einen Absaugvolumenstrom von ca. 6.300 m³/h.
  • Der Luftdruck im ersten Schacht betrug -467 Pa, der sich an den an der Wirkungsgradgrenze gelegenen Schächten auf ca. -5…-2 Pa reduzierte.
  • Der tatsächliche Einflussbereich dürfte aufgrund der Gaseigenschaften etwas größer als der mit Druckmessgeräten erfassbare Wirkungsbereich sein.
  • Durch eine witterungsgeführte Ventilatorsteuerung mit 2 unterschiedlichen Drehzahlen ließen sich die Betriebskosten zusätzlich minimieren.
  • Ein zeitweises völliges Abschalten der Anlage ist wegen der Korrosionsgefahr und wegen der bei entsprechenden Witterungsverhältnissen sofort zu beobachtenden Geruchsbelästigungen nicht ratsam.
  • Momentan wird der Energieverbrauch der Anlage weiter minimiert, um den Wirkungsbereich auf das notwendige Maß einzustellen.

Der Bürgermeister zur Abnahme der Leistung

Der Ortsbürgermeister von Weferlingen, Herr Hans-Werner-Kraul, zeigte sich zufrieden mit den erreichten Leistungen, waren doch die Geruchsbelästigungen am Weferlinger Steinweg ein Thema während der Ortschaftsratssitzungen.

(Wasser-Abwasser-Zeitung, 6. Jahrgang Nr. 3 vom 9. August 2011)

Fazit

Insgesamt gesehen und ohne Einschränkungen ist die Abluftanlage eine erfolgreiche ingenieurtechnische Teamarbeit unter Beauftragung und Mitwirkung des AZV Aller-Ohre.

Links zum Thema

Datum: 13.12.2011, überarbeitet am 10.2.2017

 

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