Abstrakte vs. konkrete Ziele im Spannungsfeld von Verhältnismäßigkeit, Effizienz und Sparsamkeit

Gutachten von Prof. Dr. René Schilling und Dr. Jan Rudl

Die Autoren des Gutachtens sind:

PROF. DR. RENÉ SCHILLING
Professur für Wahrscheinlichkeitstheorie
Inhaber: Prof. Dr. rer. nat. René Schilling
Institut für Mathematische Stochastik
TU Dresden

DR. JAN RUDL
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mathematische Stochastik
Arbeitsgebiet: Wirtschaftsmathematik
Dekanatsleiter der Fakultät Mathematik ( Dekanat )
TU Dresden

Das Gutachten ist vom März 2019.

Vorbemerkungen

Vorgestellt wird o. g. Gutachten von Uwe Halbach, Diplomvolkswirt & Ingenieur für Wasserwirtschaft (FH)
ö.b.u.v. Sachverständiger für Abwasserbeseitigung der Ingenieurkammer Sachsen

Wasserwirtschaftlicher Hintergrund und Anlass

Anlass der Gutachtenerstellung war ein Rechtsstreit zwischen einem Abwasserzweckverband und einer Landesbehörde wegen Verschärfung von Überwachungswerten bei der Einleitung von biologisch gereinigtem Abwasser in einen Vorfluter der aus einem Gebiet mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung kam. 

Dazu lagen bereits zwei wasserwirtschaftliche Gutachten zum Nachweis der Effizienz vor HALBACH [3 und 8]. 

Der Vertiefung und Veranschaulichung der nicht wasserwirtschaftlicher Hintergründe dient folgendes Beispiel:    

Effizienznachweis für Landesrechnungshöfe 

Ursachen mancher widersprüchlicher wasserwirtschaftlicher Bewertungen sind häufig abstrakte und moralistische Gewässerbewertungen. Siehe dazu:

Derlei Bewertungen sind wegen ihrer Nichteindeutigkeit beliebig interpretierbar. Mit moralistischen Gütebeschreibungen ist eine korrekte Effizienzbewertung unmöglich.

Damit ist eine sachliche Effizienzprüfung durch Landesrechnungshöfe nicht möglich. Vergleiche dazu die entsprechenden nachvollziehbaren Anforderungen der Rechnungshöfe:

(Übrigens liegt die Beweislast für Effizienz und Verhältnismäßigkeit von verschärften Überwachungswerten nicht beim Bürger, den Kommunen oder bei den Abwasserzweckverbänden. Siehe hierzu die Seite 25 der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften [7]. )

Aufgabe des hier nun vorliegenden Gutachtens (R. Schilling & J. Rudl [6]) war es zu beweisen, ob diesbezügliche Überlegungen im Gutachten HALBACH [3] korrekt waren oder zu korrigieren sind.

Ein Schwerpunkt der Prüfung betraft die Logik der These, dass mit abstrakten (auch moralistischen) Zielen keine eindeutige Effizienz beweisbar ist.

Prüfungsergebnis

Im Ergebnis ihrer Prüfung kamen die Gutachter R. Schilling & J. Rudl [6] nach ihrer Prüfung zur im Gliederungspunkt 2 dieses Homepagebeitrages vorweggenommenen Gesamtbewertung:

„Ohne eine quantitative (d. h. „konkrete“) Bewertung eines Gewässerzustands unter Einbeziehung möglichst aller beeinflussenden Faktoren ist es nicht möglich, die Effizienz von Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässerzustands zu bewerten, und ohne Kenntnis der Effizienz ist die Anwendung des Sparsamkeitsgebots für die betreffenden Akteure in diesem Zusammenhang nicht möglich.“ R. Schilling & J. Rudl [6]

Neu, interessant und nachvollziehbar ist der Hinweis von R. Schilling & J. Rudl [6], dass  bei einer gesamtwasserwirtschaftlichen Effizienzbewertung von quantitativen und qualitativen Bewertungen auszugehen ist.

Dabei wird durch quantitative Voraussetzungen (Wasserchemie, Wasserbiologie, Hydromorphologie,…) eine Qualität geschaffen oder erhalten (z.B. das Leben einer Flussperlmuschel).  Dies entspricht in seiner Funktion dem Wirken des dialektischen Gesetzes vom Umschlag in eine höhere (oder andere) Qualität durch quantitative Änderungen. 

Dem Gutachten sind im Gliederungspunkt 5 Grundlagen und Begriffserklärungen der Logik zu entnehmen, die auch für eine Weiterbildung sehr hilfreich sein dürfte.

Eine formal-logische Bewertung des Gutachtens [3] ist dem Gliederungspunkt 3 zu entnehmen und Einlassungen zum Verhältnismäßigkeitsprinzip, Sparsamkeitsgebot und qualitative Aussagen sind im Gleiderungspunkt 4 zu finden .

Das Layout des Gutachtens von R. Schilling & J. Rudl [6] wurde für die Präsentation im Internet angepasst.

Folgerungen = Behauptung und vorweggenommene Konklusion

„Ohne eine quantitative (d. h. „konkrete“) Bewertung eines Gewässerzustands unter Einbeziehung möglichst aller beeinflussenden Faktoren ist es nicht möglich, die Effizienz von Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässerzustands zu bewerten, und ohne Kenntnis der Effizienz ist die Anwendung des Sparsamkeitsgebots für die betreffenden Akteure in diesem Zusammenhang nicht möglich.

Es sind daher wissenschaftlich überprüfbare (d. h. messbare) Vorgaben der wasserwirtschaftliche Behörde erforderlich, die es ermöglichen, eine Gesamtbewertung des bestehenden und angestrebten Gewässerzustands vorzunehmen.

Im Interesse einer größtmöglichen Verbesserung des Gewässerzustands sollten auch weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Gewässerqualität haben (z. B. Gewässerunterhaltung und industrielle Landwirtschaft) in die Überlegungen mit einbezogen werden. “ R. Schilling & J. Rudl [6]

Übliche Ausbringung von Gülle oder „Biogasgülle“

Formal-logische Bewertung des Gutachtens [3]

Unter der Annahme der Korrektheit der jeweils präzise dargelegten Prämissen sind die formallogischen Konklusionen (hervorgehoben durch Einrahmung) im Gutachten [3] korrekt. Die deduktiv herbeigeführten Konklusionen in § 1, § 3, § 5.2, § 6 sind zwingend, die in § 5.3 auftretenden (indirekt) induktiven Schlüsse (im Zusammenhang mit FREMSA) sind nachvollziehbar.

Da der *bach im Einzugsgebiet der FREMSA-Studie liegt, kann davon ausgegangen werden, dass mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit (komparativer Begriff) die FREMSA-Aussagen direkt auf den *bach übertragbar sind; m. a. W., der induktive Schluss ist mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit valide.

Auf die Argumentation bezüglich des Verhältnismäßigkeitsprinzips und Sparsamkeitsgebots gehen wir im folgenden Abschnitt näher ein.“ R. Schilling & J. Rudl [6] 

Verhältnismäßigkeitsprinzip, Sparsamkeitsgebot und qualitative Aussagen

„Die Verwendung der oben eingeführten Begriffe lassen sich gut schematisch darstellen: Die Abbildung 1 bezieht sich auf das Beispiel der Bewertung des Gewässerzustands; Abbildung 2 bringt, mit Hilfe des analogen Problems „Verbesserung des Gesundheitszustands“, die Problematik auf den Punkt.

Abb. 1: Schema zur Bewertung eines Gewässerzustands

Dem Beispiel „Gesundheitszustand“ (Abbildung 2) entnehmen wir, dass der Übergang von qualitativen Einzelaspekten zu dazugehörigen quantitativen Zielvorgaben grundsätzlich möglich ist. Ebenso lassen sich Aspekte des Verhältnismäßigkeitsprinzips benennen.

Problematisch wird es allerdings, wenn aus den möglichen Einzelmaßnahmen mit dem Ziel der Verbesserung des Gesundheitszustands eine Bewertung des Gesamtnutzens erfolgen soll: Hierfür ist es zum einen erforderlich, die Auswirkungen der erfolgten Maßnahmen auf die quantitativen Einzel-Zielgrößen zu kennen und diese und ggf. deren Erfüllungsgrad – in einer geeigneten gewichteten Form – in einer einzigen Kenngröße zusammenzuführen. Zum anderen ist das Sparsamkeitsgebot gebührend zu berücksichtigen.Abb. 2: Schema zur Bewertung des Gesundheitszustands

Wenn der Nutzen N quantifizierbar ist, dann kann die Situation hinsichtlich des Gewässerzustands aus mathematischer Sicht als Optimierungsproblem betrachtet werden, in dem – ausgehend von der Einflussgröße „Kosten“ K – der Gesamtnutzen N in Abhängigkeit von den möglichen Maßnahmen und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Sparsamkeitsgebots optimiert wird.

Abbildung 3 stellt diese Problematik aus der Sichtweise eines Abwasserzweckverbands dar. Auch hier ist erkennbar, dass eine Bewertung des Gesamtnutzens der Maßnahmen erfolgen muss, um die Effizienz bestimmen zu können und damit überhaupt das Sparsamkeitsgebot einhalten zu können.

Abb. 3: Betriebswirtschaftliche Sicht auf die Verbesserung des Gewässerzustands

Noch komplexer stellt sich die Situation dar, wenn zusätzlich zum Abwasserzweckband noch weitere beeinflussende Faktoren für die Wasserqualität wie z. B. die Gewässerunterhaltung oder die industrielle Landwirtschaft berücksichtigt werden (siehe Abbildung 4): Eine solche gesamtwasserwirtschaftliche Sichtweise erfordert außerdem zum einen eine Einzelbewertung der Maßnahmen, die von den anderen Akteuren zur Verbesserung des Gewässerzustands erbracht werden
können, zum anderen die Zusammenführung dieser Einzelbewertungen in eine Maßzahl für den Gesamtnutzen. Eine Lösung dieses Optimierungsproblems würde nicht nur – gesamtwasserwirtschaftlich betrachtet – effizientere Ergebnisse im Interesse einer guten Gewässerqualität erzeugen, sondern auch die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der einzelnen Akteure, insbesondere des Abwasserzweckverbandes, relalitivieren. 

Abb. 4: Gesamtwirtschaftliche Sicht auf die Verbesserung des Gewässerzustands “ R. Schilling & J. Rudl [6]

Grundlagen und Begriffserklärungen von R. Schilling & J. Rudl [6]

Prämisse Basis des intendierten logischen Schlusses.

„Bei gewissen Schlüssen können sie „statistisch“ (auf Grund einer beobachteten Häufigkeitsverteilung) sein. Prämissen, deren Wahrheitsgehalt zunächst ausgeklammert wird, nennt man auch Hypothesen. Werden Hypothesen verwendet, muss man deren Gültigkeit (nachträglich) belegen.

Deduktiver Schluss

Schluss von einer Menge von Prämissen auf eine Konklusion, die genauso sicher ist wie die Prämissen. Wenn die Prämissen wahr (bzw. ebenso wahrscheinlich) sind, dann ist die Konklusion ebenso wahr (bzw. wahrscheinlich).

Beispiel: „(1) Obst ist gesund“ und „(2) Äpfel sind Obst“ impliziert „(3) Äpfel sind gesund“.

Induktiver Schluss

Vereinfachend handelt es sich um den Schluss von einer speziellen Beobachtung auf einen allgemeineren Zusammenhang. Die Konklusion ist daher niemals sicher, sondern gilt in Bezug auf die Prämissen nur mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad.

Beispiel: Naturgesetze sind typische Beispiele induktiven Schließens. Aufgrund unserer alltäglichen Erfahrung ist es sehr wahrscheinlich, dass die Newtonschen Fallgesetze (jedenfalls in unserem Universum) wahr sind.

Beispiel:

„(1) Birnen wirken entwässernd“ und

„(2) Birnen sind Obst“

impliziert

„(3) Es gibt Obst, das entwässernd wirkt“ (deduktiv) und

„(3′) Alles Obst wirkt entwässernd“ (induktiv).

Offensichtlich ist (3′) eine falsche Aussage, d. h., induktive Schlüsse können selbst bei wahren Prämissen und korrekten logischen Folgerungen falsche Aussagen ergeben.

Induktive Schlüsse bedürfen daher besonderer Vorsicht und ggf. kritischer Überprüfung.

Die alltagssprachliche Version „(3“) Obst wirkt entwässernd“ ist ungenau und lässt sowohl die Deutung in Form von (3) als auch (3′) zu.

Indirekter induktiver Schluss

Induktiver Schluss, bei dem eine (oder mehrere) Prämissen statistische Wahrscheinlichkeiten (Häufigkeitsaussagen einer Stichprobe) enthalten; d. h., man schließt von einer Stichprobe auf die Gesamtheit oder auf einen (ggf. neuen) Einzelfall oder eine andere (unbekannte, künftige,…) Stichprobe.

Beispiel:

Die Aussagen

„(1) 80% allen Obst ist Steinobst“,

„(2) ein Apfel ist Obst“, „(3) Apfel ist Steinobst“

erlauben nicht die Konklusion

„(4): (3) folgt aus (1) und (2)“, weil (1) statistischer Natur ist.

Korrekt ist „(4′): die Aussage (3) hat auf Basis von (1) & (2) eine Wahrscheinlichkeit von 80%“, wobei es sich hier um eine Aussage über die drei Aussagen (1)–(3) handelt und nicht um eine Konklusion aus (1) & (2).

Der indirekte induktive Schluss kommt meist in Analogieschlüssen vor. Wir weisen darauf hin, dass die Natur und Herkunft der statistischen Aussage in den Prämissen belegt und die Vergleichbarkeit der beiden Stichproben bzw. der Stichprobe mit dem Einzelfall gegeben sein muss. “ R. Schilling & J. Rudl [6]

Qualitative/r Aussage/Begriff

„Wir unterscheiden hier zwischen klassifikatorischen und komparativen Begriffen.

  • Ein klassifikatorischer Begriff drückt die Zugehörigkeit eines Gegenstands (Eigenschaft, Ziel) zu einer Klasse aus (z.B. begabt).
  • Ein komparativer Begriff gradiert diese Klasse und macht verschiedene Gegenstände untereinander relativ vergleichbar (z.B. sehr begabt, wenig begabt, mittel begabt).

Allerdings müssen nicht alle Gegenstände einer Klasse vergleichbar sein (z.B. mathematisch hoch begabt vs. künstlerisch durchschnittlich begabt). Mit Hilfe von Äquivalenz- und Ordnungsrelationen lassen sich komparative Ordnungen konstruieren, die aber für unsere Ausführungen nicht relevant sind.

Beispiel:

Im Gutachten [3] werden „abstrakte Ziele“ erwähnt. Bei diesen abstrakten Zielen handelt es sich um qualitative Begriffe in unserem Sinn. Aus logischer Sicht sollte der unpräzise alltagssprachliche Begriff „abstrakt“ vermieden werden.

Quantitative/r Aussage/Begriff/Größe

Quantitative, d. h. mit Zahlenwerten untersetzte Begriffe lassen sich durch naturwissenschaftliche Messmethoden einführen, vgl. [2, Kap. 6], und erlauben eine exakte Differenzierung von komparativen Begriffen. Erst die Quantifizierung ermöglicht es, Zusammenhänge mit naturwissenschaftlichen Messmethoden zu überprüfen.

Beispiel:

In den Ausführungen [3] werden „konkrete Ziele“ erwähnt. Dabei handelt es sich in unserem Sinne um quantifizierbare Größen.

Effizienz

Bei Vorliegen von unterschiedlichen Zielen oder Eigenschaften ist es bisweilen möglich, mit Hilfe einer Nutzenfunktion eine Gewichtung aller Ziele, Eigenschaften und deren Erfüllungsgrade vorzunehmen. 

Die Effizienz ist die Änderung des Nutzens bezogen auf den Mitteleinsatz.

Daher handelt es sich bei der Effizienz um einen quantitativen Begriff, der auch quantitative Eingangsgrößen (Nutzen, Mitteleinsatz) benötigt.

Sparsamkeitsgebot

Wir unterscheiden zwischen drei Ausprägungen:

Typ A

Wenn zwei oder mehrere Gegenstände oder Ziele gleiche Eigenschaften besitzen, besagt das Sparsamkeitsprinzip, dass der Gegenstand gekauft bzw. das Ziel verfolgt werden muss, der bzw. das die geringsten direkten Kosten verursacht. Bei dem Ziel kann es sich in diesem Fall um einen klassifikatorischen Begriff handeln.

Beispiel:

Bei einer öffentlichen Ausschreibung werden Mindeststandards festgelegt. Das günstigste Gebot, das diese Standards erfüllt, erhält den Zuschlag. Hier wird die direkte Vergleichbarkeit über die identischen Mindeststandards erreicht.

Typ B

Ist das Ziel ein komparativer Begriff, d. h., lassen sich die unterschiedlichen Zustände des Ziels auf eine gewisse Art und Weise ordnen (z. B. im Sinne von „besser“ bzw. „schlechter“), besagt das Sparsamkeitsprinzip in diesem Fall, dass bei festem Mitteleinsatz das „beste“ Ziel – vulgo „maximaler Nutzen bei konstantem  Mitteleinsatz“– zu realisieren ist.

Beispiel:

Wird Obst in verschiedenen Güteklassen zum jeweils gleichen Preis angeboten, wird man sich für das Obst in der höchsten Güteklasse entscheiden.

Typ C

Bei nicht gegebener Vergleichbarkeit – weil unterschiedliche Eigenschaften oder mehrere Ziele oder unterschiedliche Erfüllungsgrade verglichen werden – ist das Sparsamkeitsprinzip nicht oder nicht unmittelbar anwendbar.

(Die Logik verwendet stets das inklusive „oder“ – im Gegensatz zur Alltagssprache, die meist das exklusive „entweder … oder“ meint. Beispiel: Eine Aussage über „Äpfel oder Birnen“ betrifft Äpfel oder Birnen oder beide Obstsorten.)

Beispiel:

Um die Gesundheit zu verbessern, soll mehr Obst gegessen werden. Äpfel wirken beruhigend, Birnen entwässernd.

Ein Apfel kostet EUR 0,50, eine Birne EUR 1,00.

Die Aussage „Auf Grund des Sparsamkeitsgebots sind Äpfel Birnen vorzuziehen“ ist offensichtlich sinnlos, da weder Ziele definiert wurden noch ein direkter Vergleich zwischen „beruhigend“ und „entwässernd“ möglich scheint; zudem ist nicht geklärt, ob man für den behaupteten Effekt ggf. 3 Äpfel (also EUR 1,50) bzw. 1 Birne (also EUR 1,00) benötigt.

Das Beispiel zeigt auch, dass die Vergleichbarkeit von Eigenschaften in der Regel die quantitative Beschreibbarkeit der Eigenschaften bzw. der Erfüllungsgrade voraussetzt (Wirtschaftlichkeitsuntersuchung)

Das Sparsamkeitsgebot besagt in diesem Fall, dass zum einen ein höherer Mitteleinsatz mit einem höheren Nutzen einhergehen muss. Zum anderen darf und kann sich dieser Mitteleinsatz nicht ins Beliebige steigern, so dass entweder für einen gegebenen Mitteleinsatz ein Mindestnutzen oder für einen gegebenen Nutzen ein maximaler Mitteleinsatz gegeben sein muss. Die Festlegung der entsprechenden Zusammenhänge zwischen Mitteleinsatz und Nutzen und der entsprechenden „Grenzwerte“, die im Einklang mit dem Sparsamkeitsgebot stehen, können ein gewichtiges Problem darstellen.

Beispiel:

Der Einsatz welcher Steuermittel in welcher Höhe zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes um eine bestimmte Größenordnung ist noch als „angemessen“ anzusehen?

Verhältnismäßigkeitprinzip

Im Gegensatz zum Sparsamkeitsgebot entscheidet das Verhältnismäßigkeitsprinzip zum einen über die Ziele selbst und zum anderen über die Methoden, diese zu erreichen.

Während das Sparsamkeitsgebot nur eine wirtschaftliche Dimension (im Hinblick auf den Mitteleinsatz) hat, bezieht die Verhältnismäßigkeit auch ethische, juristische, soziale usw. Aspekte ein.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann daher bereits auf Grund von qualitativen Vergleichen erfolgen. Dadurch werden mögliche Ziele identifiziert, die dann unter Berücksichtigung des Sparsamkeitsgebots (bzw. der Effizienz) durch geeignete Maßnahmen erreicht werden können.

Beispiel:

In einem Naturgewässer „Trinkwasserqualität“ (ein chemisches Ziel) herzustellen, bedeutet das Aussterben vieler Tierarten. Das scheint mit Hinblick auf das ökologische Ziel „Artenreichtum“ unverhältnismäßig.

Methoden, die auf offensichtliche Art und Weise im Widerspruch zum Sparsamkeitsgebot stehen, sind ebenfalls als unverhältnismäßig anzusehen (wobei hier „offensichtlich“ quantifiziert werden muss).“ R. Schilling & J. Rudl [6]

Quintessenz: Siehe Gliederungspunkt 2

Literatur

[1] I.M. Bochefiski: Formale Logik. Orbis Academicus 111,2, Karl Aber, Freiburg/München 1956.
[2] R. Carnap: Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften. Ullstein, Frankfurt (Main)/Berlin 1986.
[3] U. Halbach: Gutachten ‚Verhältnismäßigkeit der Verschärfung von Überwachungswerten im Rahmen der wasserrechtlichen Erlaubnis“
[4] K.R. Popper: The logic of scientific discovery. Hutchinson, London 1959.
[5] A. Tarski: Einführung in die mathematische Logik. Moderne Mathematik in elementarer Darstellung Bd. 5, Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen 1966.
[6] R. Schilling & J. Rudl: Abstrakte vs. konkrete Ziele im Spannungsfeld von Verhältnismäßigkeit, Effizienz und Sparsamkeit – Bewertung von Vorgaben
im  Zusammenhang mit der Herstellung eines „guten“ Gewässerzustandes, Gutachten, TU Dresden, März 2019
[7] Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Leitlinien zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips in „Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips“. Brüssel, 02.02.2000, KOM (2000) 1 endgültig
[8] Halbach, U.: Plausibilitätsprüfung, Geplante Verschärfung von Überwachungswerten der Kläranlage x, 4.4.2011

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